VEB Elfenbeinturm
Häuser sind Erinnerungsspeicher. Dies trifft ganz besonders auf die "Villa Berglas" in Petzow zu. In ihrer über 90-jährigen wechsel- vollen Geschichte war das anmutige weiße Anwesen am Schwielowsee auch Erholungsheim des DDR-Schriftstellerverbandes. Fünfunddreißig Jahre lang trug es den Namen "Friedrich Wolf".
Jetzt zeigt eine überaus informative Ausstellung unter dem Titel "VEB Elfenbein- turm" in der Kulturkirche Petzow unterschied- liche und durchaus widersprüchliche Dimensionen dieses Erholungsortes: Er war für die Schriftsteller*innen sowohl Rückzugsraum als auch "Abhörmuschel", Klagemauer, Liebesnest und vor allem Textmanufaktur.
Dies kann man auf den fünfzehn Tafeln der von Maria Brosig konzipierten und Simone Ahrend gestalteten Ausstellung nachverfolgen.
Zeitzeugin*nen wie Brigitte Reimann, Christa Wolf, Maxie Wander, Johannes Bobrowski, Rainer und Sarah Kirsch, Volker Braun, Günter Grass und andere kommen mittels eigener Texte oder von Archivmaterialien – wie Abhörprotokollen, Postkarten oder Zimmerrechnungen – zu Wort.
Daraus entsteht ein spannendes (kultur-) politisches, literarisches und nicht zuletzt autobiografisches Kaleidoskop, das Kultur- und Alltagsgeschichte von 1955 bis 1990 spiegelt.
Zur Ausstellungseröffnung am 24. Januar wurde außerdem ein Buch präsentiert, welches das über die DDR hinaus bekannte Schriftsteller- erholungsheim in Erinnerungen und Gedichten vor dem Vergessen bewahren will.
Ein Herausgeber*innenkreis um die Potsdamer Germanistin Margrid Bircken hat aus in Petzow verfassten oder durch den Ort inspirierten Texten eine Anthologie unter dem Titel "Villa der Worte" zusammengestellt. Hier kommen in Briefen, Tagebuchauszügen, Gedichten oder Prosa über fünfzig Autor*innen zu Wort.
Brigitte Reimann, die das Schriftstellerheim auf einer Postkarte an Annemarie Auer als "VEB Elfenbeinturm" bezeichnete, spiegelt in dieser Anthologie in wenigen Briefauszügen sehr offen, wie hier gelebt, geliebt, gelitten, geschrieben, gesoffen und gestritten wurde.
Und: Nicht nur sie formulierte, wie sehr sie dieser Ort anzog – und abstieß zugleich.
Astrid Priebs-Tröger
Ausstellung bis 7. Februar 2016 in der Kulturkirche Petzow
Petzow – Villa der Worte/Das Schriftstellerheim in Erinnerungen und Gedichten
1 Kommentar