Mit allen Wassern gewaschen …
Mit Wasserspielen – künstlerisch ausgestalteten Anlagen mit zumeist hintergründiger Symbolik – hat der neue Roman "Wasserspiel" von Tim Staffel nichts zu tun. Staffel lässt in ihm einen Vlogger der weltweit agierenden Wasserindustrie auf die Finger schauen.
Roberto Böger, der erwachsene Protagonist dieses Romans, betreibt einen reichweitenstarken Videoblog zum Thema Wasser, obwohl er selbst seit Kindheitstagen wasserscheu ist. Der Aktivist reist an Brennpunkte der menschengemachten Wasserverknappung wie in Athen oder in Lagos und schließlich auch in seine Heimatstadt Lüren. So sind Nah- und Fernsicht in diesem fiktiven Roman gegeben.
Doch es ist kein Wunder, dass die Betrachtungen aus der Nähe die präziseren und spannenderen sind, denn seit der Rückkehr in seine Heimatstadt beschäftigt sich Roberto Böger auch mit seiner eigenen Familiengeschichte und den dunkleren Aspekten darin. Und er beleuchtet aus nächster Nähe, wie einige Familien in der Stadt die Fäden in der Hand haben und deren Geschicke lenken.
Im Deutschen gibt es die unterschiedlichsten Redewendungen zum Thema Wasser: Blut ist dicker als Wasser, Wasser hat keine Balken oder mit allen Wassern gewaschen sein. Diese kommen auch in Staffels viertem Roman zur Anwendung und Roberto Böger muss noch einmal schmerzhaft erfahren, wie eng sein Schicksal mit dem der Unternehmer-Familie Güthoff, die eine sprudelnde Mineralwasserquelle ihr eigen nennt, verbunden ist.
Deren jüngster Spross – ein kurzatmiger, lungenkranker 15-Jähriger namens Humphry – der zu Robertos begeisterten Followern zählt, selbst einen Blog schreibt und somit wie ein Alter Ego des Haupthelden erscheint. Zwanzig Lebensjahre trennen beide und so werden auch Kindheiten aus den 1990er Jahren und der Jetztzeit erzählt.
Der Roman ist in mehrere Teile unterteilt, die mit "Die Quelle", "Der Fluss" und "Wolken" überschrieben sind. Dazu gehören noch der Prolog "Seepferdchen" und der Epilog "Der Aquifer". Sodass auch für Wissensvermittlung in Sachen Wasserkreisläufe gesorgt ist.
Allerdings ist "Wasserspiel" kein Sachbuch, es hat aber den Anspruch, viele verschiedene Facetten dieses systemimmanenten Umweltthemas, das in den kommenden Jahren immer mehr Menschen auch hierzulande betreffen wird, zu beleuchten.
Der Autor, der auch Hörspiele schreibt, erzählt in einer schnörkellosen Sprache und streut in seinen zumeist spannenden Text viele Zwischenüberschriften ein, die die Zuordnung zu den handelnden Personen ermöglichen und der Lesbarkeit dient.
Und zu guter Letzt kann man als geneigte Leser:in auch noch etwas über bürgerbewegten Aktivismus lernen, der auch viele spielerische Elemente hat und dem bösen Spiel der Wasserimperialisten um Ken Brabeck etwas entgegenzusetzen versucht.
Astrid Priebs-Tröger
Tim Staffel, Wasserspiel, Roman 2025, kanon verlag
