(Un)gesicherte Zukunft
Eine literarische Vorlage bildete die Grundlage der begehbaren Installation des Münsteraner Künstlerinnenkollektivs "Rue Obscure", die am zweiten und dritten Unidramtag in der Waschhaus-Arena aufgebaut war.
Man wurde allein oder zu zweit in die imaginären Wohn- und Denkräume einer (hier weiblichen?) Person geschickt, die wegen Dauerregens in ihrem Haus festsitzt.

Basierend auf der tagebuchartigen Erzählung von Max Frisch "Der Mensch erscheint im Holozän" von 1979, in der ein isolierter alter Mann in den Tessiner Bergen langsam sein Gedächtnis verliert, werden in "Gesichertes Gelände" an sechs Stationen Anstöße gegeben, über das Verhältnis von Mensch und Natur nachzudenken.
Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass bei Station Eins wirklich unzählige Scheiben Knäckebrot auf dem Boden liegen und mir sofort der Satz (meiner Mutter) – Mit Essen spielt man nicht – in den Sinn kam.
Ein Erbe der Kriegskinder, die alles Essbare unendlich wertschätzten. Und genau wie in Frischs Erzählung soll auch hier eine Pagode daraus gebaut werden – als Zeichen eines Weltordnungsstrebens, das dem langsam dement werdenden Alten immer wieder misslingt.

Warum muss der Mensch alles ordnen und etikettieren? Kann er nicht einfach Natur Natur sein lassen? Das ist die Frage, die an mehreren Stellen der Installation immer wieder aufploppt.
Bei der nächsten Station empfängt mich intensiver Geruch von Knoblauch und Zitronen, die dort in einem offen stehenden Kühlschrank und auf drei Tischen lagern. Auf letzteren sind sie in wiederkehrenden Mustern geordnet, zusammen mit Kastanien und getrockneten Oliven.

Das ist schön anzusehen und ich erfahre auch, dass die Vorräte an Lebensmitteln und Holz im Haus noch ein paar Tage reichen werden. Das Haus ist allerdings durch den Dauerregen und dadurch abrutschende Lehmmassen gefährdet.
Und weil es seit Tagen nicht aufhört zu regnen, überrascht die nächste Station umso mehr. Dort werden in Wort und Bild geradezu poetische Bilder für die verschiedenen Arten von Regen gefunden. Und obwohl ich mich in dem Flur mit den vielen Fenstern beengt fühle, verweile ich mit diesen literarischen Regenbildern gern dort.
Die Bedrohung der Menschheit durch (menschengemachte) Naturkatastrophen spiegeln auch die nächsten Stationen. Am intensivsten werde ich daran erinnert, als ich die zahlreichen Samen und Kerne wahrnehme, die in einen Plexiglasvorhang eingeschweißt wurden.
Und nicht nur hier überkommt mich das Gefühl, dass "Gesichertes Gelände" eine Aufforderung ist, gegenwärtige Glaubenssätze infrage zu stellen. Denn die Sorglosigkeit und Ignoranz, mit der die Menschheit der Natur, begegnet, schlägt immer öfter mit Unsicherheit auf uns zurück.
Astrid Priebs-Tröger
