Die Poesie der Dinge
Wer kennt sie nicht, die Faszination, in fremde Wohnungen zu schauen? Diesem Vergnügen kann man jetzt in einer sehr bemerkenswerten Fotoausstellung in Köln nachgehen.
Martin Rosswog hat seit den 80er Jahren ländliche Innenräume in ganz Europa fotografiert. Und seine Schau "Entlang Europa" erzählt viele (Alltags-)Geschichten, die zu unser aller Erbe gehören. Auf den Fotoserien – egal, ob sie aus Polen, Rumänien, Schottland oder Portugal stammen – kann man sehen, fühlen und beinahe riechen und schmecken, wie das "einfache" Leben ausgesehen hat.
Da sind Innenräume zu sehen, in denen für den heutigen Betrachter nahezu alles improvisiert erscheint: das Mobiliar und die übrige Ausstattung passen sich den Bedürfnissen der Bewohner und ihrer Räume an. Alles hat seinen Platz, es gibt kaum Überfluss und so gut wie keine Dekoration. Feuerstellen und Küchen sind das Zentrum, Betten schmal und hart, Wohn- stuben dienen dem Feiern oder der Trauer.
Es gibt wunderbare Farben – von kräftig bis Pastell – und so viel Individualität und Originalität in dieser "Armut"! Und überall die persönlichen Altäre – mit Familien- oder Heiligenbildern bestückt, in vielen Fällen auch mit beidem.
Unsere ländlichen Vorfahren verstanden etwas vom Arbeiten und vom Leben. Und das zeigt sich in den Fotografien Rosswogs. Die in dieser Ausstellung ungemein plastisch wirken, weil zu den Serien auch jeweils ein Porträt der Bewohner und mehrere Schwarz-Weiß-Außen- aufnahmen der Gebäude gehören.
Man könnte stundenlang weiterschauen und dieses pralle "fremde" Leben aufsaugen. Bis man auf Fotografien stößt, auf denen der "Fortschritt" abgebildet wird. Brutaler hätte die Entzauberung kaum sein können. Plötzlich sind Häuser außen saniert und in ihnen ist das Angebot eines durchschnittlichen Möbelhauses angekommen.
Astrid Priebs-Tröger
Unter diesem Link kann man 43 Fotos anschauen: www.koeln.de/ausstellungen/martin-rosswog