Geschichten vom guten Leben
An Winterabenden denke ich oft an die kommende Gartensaison und über mein Leben nach. Und während ich online Kataloge vom Biogartenversand Jeebel oder Bingenheimer Saatgut durchblättere, stoße ich auch auf den Zukunftsalmanach 2015/16 der Stiftung FuturZwei, die in Potsdam beheimatet ist.
"Geschichten vom guten Umgang mit der Welt" ist der über fünfhundert Seiten starke Band überschrieben und ganz schnell lese ich mich fest. Denn in den zweiundachtzig Berichten wird von Initiativen, Vereinen und Unternehmen berichtet, die sich auf ihre Fahnen geschrieben haben, nicht mehr über unser aller Verhältnisse zu leben, sondern für eine enkeltaugliche Gesellschaft zu sorgen.
Sprich, der allgegenwärtigen Leitkultur des permanenten Wachstums und der Verschwendung ein Ende zu setzen. Dies gelingt z. B. der "Hanseatischen Materialverwaltung", die ausgediente Film- und Messebaukulissen, die ansonsten sofort auf dem Müll gelandet wären, sammelt und vermietet. Oder dem Berliner Veränderungsatelier mit dem sprechenden Namen "Bis es mir vom Leibe fällt", das dem ständig wechselnden Modewahnsinn kreativ die Stirn bietet.
Wunderbar finde ich auch die Leipziger Initiative "HausHalten e. V.", die mit dem Konzept der "Wächterhäuser" – so etwas Ähnliches passierte in Potsdam in den Vorwendezeiten fast wie von selbst im Holländischen Viertel – das Gründerzeiterbe der Messestadt vor dem Verfall bewahrt und vormacht, wie Stadtentwicklung ohne Großinvestoren funktionieren kann.
Wenn ich diese Berichte lese, fühle ich mich gut. Natürlich weiß ich, dass sie (nur) wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sind, doch in mir macht sich die Hoffnung breit, dass es möglich ist, dem herrschenden Turbo-Kapitalismus wenigstens im Kleinen etwas entgegenzusetzen.
Neulich habe ich jüngeren Menschen von dieser Lektüre erzählt und so zumindest mein Wissen geteilt. Ach ja, und (m)ein Kleingarten ist überhaupt nicht "spießig", sondern mein ganz persönlicher Beitrag, ein Stückchen Land, das zig Jahre mit Kunstdünger behandelt wurde, ein wenig heil(er) werden zu lassen.
Astrid Priebs-Tröger
FuturZwei/Zukunftsalmanach 2015/16 – Geschichten vom guten Umgang mit der Welt