Viele Fenster zur Welt
Die meisten Kinder lieben Geschichten. Und viele Erwachsene ebenso. Das war deutlich zu spüren beim internationalen Erzählfestival "Verbale!", das am 17. September zum zweiten Mal in Potsdam stattfand.
Einjährige krabbelten über den Schafwollteppich, etwas Größere taten lautstark ihre Meinung zum Erzählten kund und ganz Naseweise nahmen sogar Pointen vorweg oder forderten die Erzählerinnen auf, jetzt endlich auf den "Kotzbrocken" des Sultans einzugehen.
Für Annette Paul, Suse Weisse oder Doris Ette vom Erzählwerk Potsdam war das nichts Neues und am "Verbale!"-Familiennachmittag auch kein Grund, den Faden zu verlieren. Stattdessen knüpften sie an die Einwürfe ihrer Zuhörer an und bezogen diese aktiv ins Geschehen ein.
In vier Zelten wurde fast immer parallel erzählt und über Tier- oder Prinz* essinnengeschichten verging die Zeit wie im Flug. "Ich verstehe kein Wort", rief ein Mädchen, als das Duo Nazli Çevik und Maria Carmela Marinelli auf Türkisch und Italienisch die Geschichte vom "Fuchs mit Schwanz aber ohne Verstand" zum Besten gab.
Musste sie auch nicht, denn die beiden lebhaften Frauen erzählten abwechselnd in ihren Muttersprachen und zwischendurch auch immer wieder auf Deutsch. Das war besonders für Kinder ab fünf interessant, denn auch der geheimnisvolle Klang der beiden Sprachen faszinierte diese zunehmend.
Denn auch in ihrem (Schul-)Alltag ist das für die meisten ja nichts Neues in den Zeiten zunehmender Globalisierung. Die interkulturelle Erzähltheatergruppe "Ein Fenster zur Welt" bot in den grün-rot-goldenen Zelten, in wechselnden Besetzungen genau dies an – das spielerische Switchen zwischen sprachlichen und kulturellen Identitäten.
Noch etwas "schwieriger" wurde es, als der walisische Erzähler Daniel Morden mit unverwechselbarer Mimik seine ausschließlich in Englisch gesprochenen Geschichten vortrug. Aber auch hier gab es Kinder und Erwachsene, die seine Stichworte parieren konnten und mit ihm gemeinsam die mit trockenem Humor gewürzte Erzählung vorantrieben.
Wer sich zwischendurch stärken musste, konnte das an Ständen mit afrikanischem oder Essen aus dem mittleren Osten tun oder auf dem nahegelegenen Spielplatz die Seele baumeln lassen. Das Konzept, dies internationale Erzählfestival, in Potsdam-West zu verankern, brachte den Organisatorinnen jedenfalls den ganzen Nachmittag über volle Zelte ein.
Die meisten Geschichten (weltweit) enden mit dem Satz "und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie auch heute noch". Die "Verbale!" hat mit ihrem multikulturellen Ansatz auf jeden Fall noch jede Menge Zukunft vor sich.
Text und Fotos: Astrid Priebs-Tröger