Den gemeinsamen Ton finden

Es kommt nicht oft vor, dass so vie­le Tän­zer auf der Büh­ne der fabrik ste­hen. In "For­eign Bodies" zeig­ten dort mehr als 50 jun­ge Men­schen aus drei euro­päi­schen Län­dern eine mul­ti­me­dia­le Per­for­mance aus Musik, Tanz, Thea­ter und Animationen.

Der eigene und der fremde Körper

Die­ses Pro­jekt des Offe­nen Kunst­ver­eins unter der Lei­tung von Ulri­ke Schlue und Cla­ra Pujal­te ent­stand in gera­de mal einer Work­shop­wo­che mit ita­lie­ni­schen, spa­ni­schen und deut­schen Jugend­li­chen. Mit­ten unter ihnen die klei­ne, rot­haa­ri­ge Thea­ter­päd­ago­gin Ulri­ke Schlue, die seit 1993 mit ihrer schier uner­schöpf­li­chen Ener­gie Pots­dam schon so vie­le Thea­ter­aben­de geschenkt hat. Jetzt also frem­de, unbe­kann­te, selt­sa­me Kör­per, die unter­sucht wur­den. Am Anfang war der Atem – im Leben  und so auch in der Performance.

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Foto: Angé­li­que Préau

Die gar nicht so leicht zu beschrei­ben ist. Weil die (Tanz-)Bewegungen auf der Büh­ne mit unzäh­li­gen gra­fi­schen Ele­men­ten auf Over­head­pro­jek­to­ren, Sei­fen­bla­sen, Schat­ten­bil­dern, Geräu­schen und Live-Musik inten­siv und quir­lig mit­ein­an­der ver­wo­ben waren. Eine Geschich­te mit rotem Faden wur­de nicht erzählt, dafür aber den jugend­li­chen Akteu­ren und dem Publi­kum nach­ein­an­der drei Fra­gen gestellt: Are you fee­ling ok? Do you like drugs? und What did you know about your body? lau­te­ten diese.

Irritationen und Annäherungen

Sie bil­de­ten so etwas wie den men­ta­len Hin­ter­grund der ein­stün­di­gen Auf­füh­rung. Zu sehen waren über­wie­gend in Grup­pen Tan­zen­de, die  dyna­misch den Raum um sich her­um und zwi­schen ihnen und den ande­ren erkun­de­ten. Mehr­mals tauch­ten unter den Tan­zen­den Figu­ren mit rie­si­gen qua­dra­ti­schen Köp­fen auf. Nach anfäng­li­chen Irri­ta­tio­nen gab es Annä­he­run­gen zwi­schen bei­den Grup­pen, die dann mit fieb­ri­gen Zucken der Einen und mili­tä­ri­schem Mar­schie­ren der Ande­ren endeten.

Um  einen für alle pas­sen­den Song wur­de in  einer ande­ren Grup­pe  humor­voll gerun­gen. Wun­der­bar das gemein­sa­me Tönen, das sich aus dem Atmen ent­wi­ckel­te. Vom Kin­der­lied "Old McDo­nald had a farm" bis zur "Zau­ber­flö­te" war eini­ges dabei – (K)ein Wun­der, dass man sich da auf "Hal­le­lu­jah!" einigte.

Ansteckende Intensität

Die­ses spie­le­ri­sche Erkun­den des Gemein­sa­men war der wich­tigs­te Grund für das Pro­jekt – und dies in einem Euro­pa, das momen­tan so unei­nig ist wie lan­ge nicht. Doch die­se 18- bis 25-Jäh­ri­gen  zeig­ten ein­drucks­voll, dass es mög­lich ist, eine gemein­sa­me (krea­ti­ve) Ener­gie zu ent­wi­ckeln und an einem Ziel – eben die­ser Col­la­ge – zu arbei­ten. Dabei ging es nie um vor­der­grün­di­ge Har­mo­nie, son­dern oft um Rei­bung und um ein gemein­sa­mes Ener­gie­le­vel sowie eine anste­cken­de Intensität.

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Foto: Angé­li­que Préau

Die Band, die auch noch auf der fabrik-Büh­ne Platz fand, lie­fer­te von Mini­mal Music bis  zu Klän­gen aus der soge­nann­ten Welt­mu­sik den pas­sen­den Sound, den immer wie­der Stil­le oder auch tie­ri­sche Lau­te, die die Per­for­mer erzeug­ten, unterbrachen.

Gegen Ende wur­den dann doch noch Wor­te bemüht. Auf Deutsch, Spa­nisch, Ita­lie­nisch, Eng­lisch beschrie­ben sie fik­tiv den gegen­wär­ti­gen Zustand der Welt: Es war ein­mal ein Land, das fühl­te sich nicht wohl, war zu hören, und dass Freud­lo­sig­keit und Ein­sam­keit in ihm herrschten …

Die­se hat­ten in "For­eign Bodies" jedoch kei­ne Chan­ce. Wun­der­bar, wie am Ende alle Betei­lig­ten Ulri­ke Schlue wür­dig­ten. Sie bil­de­ten – wie bei einem Fuß­ball­spiel – einen dich­ten Kreis, in des­sen Mit­te die cha­ris­ma­ti­sche 67-Jäh­ri­ge ein- und unter­tauch­te. Ein bes­se­res Schluss­bild für das gegen­sei­ti­ge Geben und Neh­men hät­te man kaum fin­den können.

Astrid Priebs-Trö­ger

Die­ser Text erschien zuerst in den Pots­da­mer Neu­es­ten Nach­rich­ten vom 24. April 2017

24. April 2017 von admin
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