Alles ist möglich …
Ich tanze hier seit ich fünf bin, sagte ein junger Mann ganz am Ende des zweiten Premierentages der Compagnie Tanzparcours von Kathi, Ludovic und Eléa Fourest, die im t‑Werk mit vier verschiedenen Stücken ihren Jahresabschluss 2023 feierte.
"Carte blanche" (Handlungsfreiheit), "now", "Einszweifünf" und "surprise" waren sie betitelt und am Freitagabend wurden Letztere vom überwiegend jugendlichen Publikum lautstark bejubelt.
In "Einszweifünf" betreten acht Tänzer:innen mit zwei roten Sackkarren und in Blaumännern oder grünen Arbeitsjacken die Bühne. Auf den Karren wird immer eine Person transportiert, dann dient das profane Arbeits- als Turngerät, auf dem sie sich artistisch bewegen.
Das, was anfangs nach viel Arbeit aussieht, entwickelt sich in den nächsten Minuten zu einer lockeren, leichten Metamorphose, bei der die vier jungen Frauen und die vier Männer nicht nur ihre Kostüme wechseln, sondern sich auch in der Erprobung verschiedener Geschlechterrollen versuchen.
Zwei Jungen schlüpfen beispielsweise in weiße, seidene Stufenkleider – nicht als Persiflage – sondern eher wie im märchenhaften Shakespeare‘ schen "Sommernachtstraum", zu dem auch das Vogelgezwitscher am Ende der zeitgenössischen Choreografie hervorragend passt.
"Einszweifünf" ist ein Stück über Freundschaft und dieses Gefühl verkörpern diese 18- bis 20-Jährigen großartig. Da ist so viel Vertrautheit zwischen ihnen und auch eine große Lust, miteinander zu spielen und tänzerisch zu experimentieren.
Das ist auch das Prinzip der Compagnie Tanzparcours, die als "Familienunternehmen" Fourest seit über zwanzig Jahren in Potsdam existiert. Es begann mit Kleinkindkursen für Bewegung und Tanz in der fabrik und ist inzwischen auf über 150 Kursteilnehmer:innen angewachsen, von denen viele den Fourests seit mehr als einem Jahrzehnt die Treue halten. Mittlerweile haben sie ihr Quartier im Friedenssaal gefunden.
Die unterschiedlichen Gruppen bieten viel Freiheit zum Experimentieren mit Bewegung und modernem Tanz, sagt Ludovic Fourest. Wir sind wie ein Spielplatz und gewähren Vertrauen, so Fourest weiter, und bieten einen künstlerischen Rahmen, innerhalb dessen Sehgewohnheiten und Herangehensweisen in Frage gestellt werden.
Die eigenen Kinder – drei Mädchen – haben Kathi und Ludovic einfach immer zu den Kursen mitgenommen, sie sind dabei mit gewachsen und Eléa hat inzwischen eine Tanzausbildung abgeschlossen und ist nach Potsdam zurückgekehrt.
Sie steht nach "Surprise" als Choreografin mit auf der Bühne. In diesem geht es um das Zusammenspiel von Tanz und Musik und Nils Brzoska vom Footprint Project hat extra welche dafür komponiert.
Diese Gruppe aus jetzt 13 Tänzer:innen tanzt zumeist als fester Block aber auch immer wieder mit bis zu drei verschiedenen Solist: innnen zu den fusionierten elektronischen Klängen aus Knacken, Knirschen, Maschinengeräuschen und auch von Saiteninstrumenten und Percussion, die die Tänzer:innen sich gewünscht und mitgestaltet haben.
Insgesamt ist die Bühnenpräsenz der jungen Leute ganz erstaunlich, ihre Identifikation mit modernem Tanz bis in die Haarspitzen fühl- und sichtbar. Es herrscht ein hohes professionelles Anspruchsniveau, bei dem die Jugendlichen hochkonzentriert arbeiten aber auch sie selbst bleiben dürfen.
Dass es sowas gibt, und sie in diesem Theater auftreten können, findet der junge Mann, von dem am Anfang die Rede war, ebenfalls ganz wunderbar.
Astrid Priebs-Tröger
Die Arbeit an diesem Artikel wurde "gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland."