Heilige Scheiße
1979/80 verfasste Friedensreich Hundertwasser ein Manifest, das er mit "Scheisskultur – die heilige Scheiße" überschrieb. Darin setzt er Homo-Humus-Humanitas ins Verhältnis und fordert dazu auf, zum natürlichen Kreislauf – dessen Teil der Mensch ist – zurückzukehren. Und die menschlichen Exkremente nicht (mehr) wegzuspülen beziehungsweise teuer zu entsorgen, sondern wieder in Humus und damit in natürlichen Dünger zu verwandeln.
2023 kam ein Dokumentarfilm des puerto-ricanischen Filmregisseurs Rubén Abruña ins Kino, der sich genau dieser Thematik widmet und in "Holy Shit" fragt, ob (unsere) Scheiße die Welt retten kann? Eine Welt, auf der über acht Milliarden Menschen leben, in der menschliche Exkremente zumeist mit Trinkwasser weggespült werden und mehr als drei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberen Toiletten haben.
In der außerdem Gewässer und Meere überdüngt sind, die Phosphatvorkommen (zur Kunstdünger-produktion) in absehbarer Zeit zur Neige gehen und weltweit immer mehr Böden mit sogenannten Ewigkeitschemikalien (PFAS) aus Klärschlämmen verseucht sind. Die Lösung eines Großteils dieser Probleme ist so einfach wie folgenreich.
Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden in vielen Ländern der Erde menschliche Exkremente eingesammelt und kompostiert. Rubén Abruña zeigt in seinem sehr engagierten, faktenreichen und zudem humorvollen Film, das man, wie beispielsweise in einem Slum in Ugandas Hauptstadt Kampala, aus der Not (keine Sanitäranlagen) auch eine Tugend machen kann.
Dort werden sehr einfache Komposttoiletten aufgestellt und regelmäßig geleert. Die Aktivisten der "Poop Pirates" kompostieren in großen Mieten die eingesammelten Exkremente und produzieren daraus hochwertigen Dünger, der an ugandische Kleinbauern abgegeben wird, die damit ihre Ernten (z. B. beim Kaffee) verdoppeln können. Durch ebensolche Komposttoiletten konnte auch die Gesundheit afrikanischer Kinder verbessert werden. Die seitdem nicht mehr in den Busch gehen, um sich zu erleichtern, sondern solche Toiletten benutzen und damit insgesamt weniger Krankheitskeimen ausgesetzt sind.
Der Film "Holy Shit" zeigt auch (aber leider nicht deutlich genug), wie Abwasser- und Düngemittelindustrie mit der Politik Hand in Hand arbeiten, um Profite für erstere zu erhalten. Dass auch in Europa beziehungsweise in den reichen Industrieländern langsam ein Umdenken einsetzt, zeigten auch Beispiele von ökologischen Hausprojekten in der Schweiz oder aus Deutschland.
Hier wurden in speziellen Siedlungen (für ökologisch bewusste Gutverdiener?) sowohl Luft-Toilettensysteme mit weniger Wasser (ein Liter statt sieben für einen Spülgang) oder eben Komposttoilettensysteme eingebaut, die nicht nur Kompost, sondern mit dem sogenannten Schwarzwasser noch zusätzliche Energie erzeugen. Auch Pflanzenkläranlagen sind eine schon lange bekannte Alternative.
Hoffnungsvoll ist, dass es auch Startups wie "Finizio" aus dem brandenburgischen Eberswalde gibt, die sich dafür einsetzen, dass Recyclingdünger, die hierzulande nicht legal sind, enttabuisiert werden und für eine Sanitär- und Nährstoffwende durch eine düngerechtliche Zulassung und gesellschaftliche Transformation kämpfen.
Denn nicht nur Hundertwasser wusste, "Humus ist das wahre schwarze Gold … Wenn wir unsere Scheiße nicht schätzen und in Humus umwandeln … verlieren wir unsere Berechtigung, auf dieser Erde anwesend sein zu dürfen."
Astrid Priebs-Tröger
Weitere Informationen zum Film https://holyshit-derfilm.de/