Drei Tropfen Herzblut
"Verliere nie die Schlüssel" heißt ein neuer poetischer Liederabend von und mit Andrej La- kisov und Larisa T. Papizh. Der in der wohlig warmen Kneipe des Potsdamer Theaterschiffs im November seine Premiere feierte und in die Welt der russischen Seele und Poesie entführt.
Gleich zu Anfang zitiert der Musiker Lakisov ein russisches Sprichwort: Sing mir ein trauriges Lied, mit viel Freude! Das sei das Geheimnis der berühmten russischen Melancholie. Und dass diese für ihn besonders in der Küche mit Familie und Freunden, Gesprächen und Liedern zum Tragen kommt.
Lakisov, der eigentlich ein renommierter Saxophonist und Multiinstrumentalist ist, greift in diesem intimen Abend – die Gäste sitzen dicht vor ihm – zur Gitarre und singt erstmals auch selbst. Die Schauspielerin Larissa T. Papizh begleitet ihn warm und einfühlsam mit einführenden Worten und deutschen Übersetzungen der Texte.
Diese sind von Natascha Bondar, Bulat Okudschawa, Nadezda Schahowa, Tatjana Lavrova, Hermann Hesse, Elena Frolowa, Anastasia Tchachova, Mascha Kaléko, Irina Suevich und Wladimir Wyssozki.
Das viergliedrige Programm, das mit "Gott und Liebe", "Frauen", "Herbst" und "Männer" überschrieben ist, handelt von diesen Themen und von noch viel mehr. Auch der "Krieg" ist in den zeitlosen Texten beispielsweise von Bulat Okudschawa immer präsent.
Und es ist großartig, dass in dieser sanft schaukelnden Theaterschiff-Arche diese (Weiß-)Russen aus Berlin ihre östlich-seelenvolle Kultur präsentieren können. Denn die kulturellen Verbindungen sollten auch nicht durch den anhaltenden Ukrainekrieg gekappt werden.
Der Abend beginnt mit dem metaphernreichen "Gebet" von Bulat Okudschawa und endet mit "Mein Schicksal" von Wladimir Wyssozki, diesem charismatischen Künstler, den Lakisov verehrt und der es wert ist, auch hierzulande nicht vergessen zu werden.
Lakisov weiß, dass er ihn nicht imitieren kann. Er singt dessen Poeme mit großer Zärtlichkeit und ebensolcher Kraft. Das ist sehr berührend und es macht diesen Musiker und dieses Format so nahbar. Es entsteht, wie von beiden Künstler*innen, die sich wunderbar ergänzen, eingangs gewünscht, so etwas wie eine (Seelen-)Gemeinschaft mit dem Publikum.
Schön darin auch die Texte von Mascha Kaléko – im direkten Vergleich – mit der jetzt in Berlin lebenden Irina Suevich, deren Verse Andrej Lakisov einfühlsam übersetzt und interpretiert. Auch sie haben Tiefe, Magie und viel Lebensweisheit.
"Drei Tropfen Herzblut" ist eine Zeile aus Mascha Kalékos "Morgenländischem Liebeslied" – auch dies echtes Seelenfutter für einen (langen) Winter.
Und nicht zuletzt: Schönheit und Traurigkeit gehören zusammen. Oder wie die beiden auftretenden Künstler:innen sagten: Die russischen Lieder sind so melancholisch, dass es einem danach gut geht. Fehlte eigentlich nur noch ein Wodka und eine kräftige Suppe dazu.
Astrid Priebs-Tröger