Freiheit und Schlangengrube
Sind Sie schon mal eine Straße namens "Freiheit" entlang gekommen? Ich dachte mindestens an eine der Prachtstraßen dieser Welt, als ich gestern den Namen las.
Real kreuzte eine Hotelhochburg mit dem Charme eines Kühlturmes meinen zweispurigen Weg. Dann folgten No-Name-Autohäuser und Kleingewerbe. Doch da hatte ich die "Freiheit" schon wieder verlassen, um ausgerechnet an den Gärten der "Schlangengrube" vorbei, zu IKEA zu gelangen.
Auch so ein modernes Symbol für "Freiheit", wenn man z. B. an die Eröffnung der ersten Moskauer Filiale zur Jahrtausendwende denkt. Ich war gestern nicht ganz freiwillig dahin unterwegs. Ich musste einen Gutschein einlösen, den ich schon zweieinhalb Jahre mit mir herumtrug.
Natürlich hätte ich die Freiheit, ihn verfallen zu lassen. Doch einerseits hinderte mich das schlechte Gewissen dem Geber gegenüber daran. Andererseits bin ich sicher, dass meine Spende nicht den pakistanischen Näherinnen zugutegekommen wäre.
Da ich mich schon vor Jahren mit Kleinmöbeln, Lampen und Kellerregalen eingedeckt habe, ging ich direkt in die Abteilung Krims und Krams. Was für eine Auswahl! Ich geriet echt in Bedrängnis.
Davor hatte ich versucht, Menschen mit vollgepacktem Wagen meinen Gutschein schmackhaft zu machen. Gegen Bares natürlich. Eher Spießrutenlauf als Schlangengrube. So ging ich selbst beladen zur Kasse.
Erst nach dem dritten Versuch akzeptierte diese das Gutschein-Plastikteil. Und ja, eine Teigtasche mit Tomaten und Mozarella habe ich mir auch noch gegönnt. Bio natürlich. Diese Wahl hatte ich schließlich!
Fragt sich, was "Freiheit" und "Schlangengrube" verbindet? In Märchen ist "Schlangengrube" ein Ort der Folter und des Todes. In Jean Pauls Werk eine Metapher für seelische Bedrängnis. Wen wundert es, dass im heutigen Berlin beide so nahe beieinanderliegen. Und: Gleich hinter IKEA befindet sich ein pracht- voller chinesischer Fresstempel.
Astrid Priebs-Tröger