Schöne Grüße aus der heilen Welt
Die Sehnsucht nach dem Landleben war anscheinend noch nie so groß wie heute. Juli Zeh hat mit "UnterLeuten" einen Gesellschaftsroman geschrieben, der diesen Traum mit lautem Knall zerplatzen lässt.
Wenn man schon nicht die Welt verändern, so kann man doch (s)einen Garten, Hof oder gar ein ganzes Dorf gestalten. Glauben viele zivilisationsgeschädigte Großstädter und ziehen in Scharen ins Umland.
Doch der "Clash der Kulturen" – Provinz trifft Metropole und umgekehrt – kann für beide Seiten (manchmal) einfach nur die Hölle sein.
In Juli Zehs Roman steht das schon im ersten Satz: "Das Tier hat uns in der Hand". Damit ist hier kein Rindviech gemeint, sondern ein Typ, der direkt an der Grundstücksgrenze Tag und Nacht stinkende Autoreifen verbrennt.
Dem selbsternannten Naturschützer und seiner jungen Frau auf der anderen Seite bleibt nichts anderes übrig, als bei über 30 Grad im Schatten Tag und Nacht die Fenster geschlossen zu halten. Bei ihrem neugeborenen Kind löst dieser ganze Stress nicht nur Schreiattacken aus.
In der Stadt stünden nach einem Anruf die Polizei oder das Ordnungsamt auf der Matte und bereiteten so einem Spuk ein schnelles Ende. Nicht so in "UnterLeuten", denn hier herrschen andere Mächte.
Auf über 600 Seiten wird dies genüsslich ausgebreitet und es macht Spaß, sich durch das dörfliche Beziehungsgestrüpp zu kämpfen – wenn man nicht davon betroffen ist.
Allerdings geraten (mir) viele der Figuren zu klischeehaft, vor allem die der Zugezogenen. Spannender und charaktervoller sind die männlichen Hauptfiguren – Gombrowski, Kron, Schaller und Seidel – angelegt.
Und man erfährt, wie sich seit Kriegsende, über DDR- und Nachwendezeiten hinweg, dieses Dorf entwickelt hat. Juli Zeh seziert dieses Biotop mit scharfem Skalpell. Für meinen Geschmack ist jedoch zu wenig "Liebe" – für die Leute und ihre Eigenarten – dabei. Zumindest, wenn ich an die Strittmatterschen Romane denke.
Der "Clash der Kulturen" wird in "UnterLeuten" und anderswo heutzutage (beispielsweise) durch den Bau moderner Windkraftanlagen ausgelöst. Und beim Ringen um den vermeintlichen Fortschritt bleiben nicht nur im Roman jede Menge Leute auf der Strecke.
Und da diesen eine Frau geschrieben hat, sterben nach dem Showdown die ehemaligen männlichen Machthaber und eine Frau wird Bürgermeisterin. Doch die unvermeidlichen Kollateralschäden betreffen alle Geschlechter gleichermaßen.
So dass man am Ende nicht umhinkommt, der Aussage des berlinmüden Aussteigers Gerhard – das Bestehende gegen die psychotischen Kräfte eines überdrehten Fortschritts zu verteidigen – nahezu unkritisch zuzustimmen.
Astrid Priebs-Tröger