Wegweisend
Wenn ich auf Reisen bin will ich: Natur oder Sehenswürdigkeiten anschauen, gut essen und trinken, Menschen treffen und Kultur genießen. Dass "Shopping" ein Grundbedürfnis sein könnte, sollte ich unlängst in Köln erfahren.
In noch keiner anderen Großstadt habe ich im touristischen Schilderwald einen Wegweiser mit der Aufschrift "Shopping" entdeckt. Aber hier, unmittelbar neben "Museum Ludwig" , "Altstadt" und "WC", wurde man gleichberechtigt in Richtung "Einkaufen" gelenkt. Und viele strömten dahin. Zugegeben, etwa 20.000 von ihnen besuchen täglich zuvor oder danach den Dom.
Zumeist davor, denn er steht einfach zu wuchtig am Hauptbahnhof. Warum tun sie das? Um sich seelisch einzustimmen auf die Einkaufsparadiese? Schon diese Wortwahl lässt mich das Weite suchen. Oder um Vergebung zu bitten für ihre kommenden Sünden? In Köln würde dies naheliegen.
Im Dom herrscht statt stiller Andacht ameisenartiges Gewusel. Und wenn selbiges ohne elektronische Klickgeräusche vonstattenginge, könnten sich die Seelen in die Höhe schwingen. Doch die meisten Menschen hier haben nur ein Ziel: möglichst viele Bilder zu machen.
Alles im ICE-Tempo. Dann ergießen sie sich wieder ins Freie, um zu den profaneren Tempeln zu strömen. Diese sind grob in zwei Klassen unterteilt: die engen, ramschartig vollgestopften für die Mehrheit und die weiten, perfekt inszenierten für den Rest.
Und so scheint "Shopping" eine der wenigen öffentlichen Performances zu sein, zu der eine große Mehrheit freiwillig hingeht. Wirklich innovativ wäre die Stadt Köln, wenn sie einen "Internationalen Tag des Einkaufens" vorschlagen oder gemeinsam mit der Kirche einen "Einkaufsheiligen" benennen würde.
Astrid Priebs-Tröger