Geben und Nehmen
10.000 Dinge häuft ein Durchschnittseuropäer an. Viel zu viel, um wirklich glücklich zu sein. Zweimal im Jahr besteht in Potsdam die Möglichkeit, entweder einen Teil davon loszuwerden oder den eigenen Fundus – aus den unterschiedlichsten Gründen – aufzustocken.
Beim traditionellen Geben- und Nehmen-Markt im Lustgarten herrschte an diesem sonnigen Aprilsamstag an fast allen 36 Ständen von Beginn an reger Betrieb.
Menschen aller Altersgruppen und sozialer Schichten kamen, um vorwiegend Bekleidung, Bücher, Haushaltsgegenstände und Spielzeug zu tauschen. Die einen aus offensichtlicher Not, andere, um überzählige Ressourcen zu verschenken oder auch nur zu entsorgen.
Hier ist zu spüren, was schon in der Bibel steht und inzwischen auch wissenschaftlich untersucht ist: Geben ist seliger denn Nehmen. Denn die, die hinter den Tischen stehen, wirken mit sich und ihrem Leben augenscheinlich zufrieden(er).
Doch vor allem Mütter, die mit großen Plastiktaschen zielstrebig zu Tischen mit Kinderbekleidung streben, heben selten den Blick. Alles, was sie hier ergattern können, hilft, mit schmalem Budget auszukommen.
Das ist gut für die Betroffenen, jedoch unserer reichen Gesellschaft nicht würdig. Denn Kinder sind unsere Zukunft – wohlgemerkt: alle Kinder!
Nicht nur aus sozialen Gründen ist hierzulande so ein Markt wichtig. Denn neben Müllvermeidung, Ressourcenschonung und Umverteilung steht noch etwas anderes im Mittelpunkt: besagtes (kostenloses) Geben und Nehmen, welches unserer effizienten und kapitalistischen Leistungsgesellschaft diametral entgegengesetzt ist.
Um jedoch das Zufriedenheits- und auch Machtgefälle zwischen Gebenden und Nehmenden auszugleichen, bedarf es noch viel mehr.
Wunderbar wäre, wenn an diesen zwei Potsdamer Markttagen im Jahr gleichberechtigt "Leistungen", die man oder frau erbringen kann oder mag – von Babysitten über Haareschneiden bis hin zu Kunst und Kultur – ebenfalls getauscht würden.
Mit wirklichem, vor allem menschlichen Mehrwert für alle. Denn jede*r kann etwas und will sich in die Gesellschaft einbringen und: nachbarschaftliche Netzwerke und regionale Tauschringe werden in Zukunft für Viele immer bedeutsamer werden.
Summa summarum: Ein Anfang ist gemacht – es sollten jedoch Ideen her, die das Thema "Nachhaltigkeit" größer und unsere Rolle dabei globaler denken.
Text und Fotos: Astrid Priebs-Tröger
Der nächste Geben- und Nehmen-Markt findet am 10. September 2016 von 9 bis 14 Uhr im Neuen Lustgarten statt.