Die Kraft des Erzählens

Die­ses Buch kann man kaum aus der Hand legen, wenn man es erst ein­mal zu lesen ange­fan­gen hat. Und doch muss­te ich es immer wie­der tun. Denn das Erzähl­te wirkt nach, es trig­gert per­sön­li­che Erin­ne­run­gen an und zeigt schmerz­haf­te Leer­stel­len in der eige­nen Familiengeschichte.

Regi­na Scheer erzählt in ihrem Roman "Machan- del" Zeit­ge­schich­te anhand von Fami­li­en- geschich­ten. Sie spannt dabei einen Bogen von den 1930er Jah­ren bis in die Gegen­wart. Das haben schon Vie­le getan. Und doch ist ihr Roman etwas ganz Besonderes.

Die Autorin ver­sam­melt ihre vor­wie­gend weib­li­chen Erzäh­le­rin­nen im fik­ti­ven meck­len­bur­gi­schen Dorf Machan­del wie um einen gro­ßen Küchen­tisch. Sie lässt sie aus der jeweils eige­nen Per­spek­ti­ve über das Nazi- regime, Flucht, Ver­trei­bung, den Beginn und über das Schei­tern der DDR, das Ankom­men im ver­ei­nig­ten Deutsch­land und der Welt berichten.

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Wachol­der wird Machan­del genannt. Foto: R_K_by_SueSchi_pixelio.de

Dabei kommt viel Schreck­li­ches an die Ober­flä­che. Vie­les, was in den Nach­kriegs- jah­ren und auch spä­ter so nicht erzählt wur­de. Was jedoch die Nach­ge­bo­re­nen (Sabi­ne Bode: Kriegs­en­kel) gespürt haben müs­sen und oft nicht deu­ten konnten.

Scheer erzählt bewusst die dunk­len Geschich- ten, wie die von Mar­le­ne, die in einer NS-Ner­ven­heil­an­stalt elend zugrun­de ging, weil sie sich gegen die sexu­el­len Nach­stel­lun­gen von Wil­helm Stü­we wehr­te. Aber die Autorin erzählt auch von der Kraft des Lebens, die sich zum Bei­spiel in Machan­del in einer lau­en August­nacht des Jah­res 1945 gren­zen­los über­wäl­ti­gend entfaltete.

Die Autorin beschwört immer die Kraft der Natur, die stär­ken­den Ener­gien der Mär­chen und Sagen. Die vom "Machan­del­boom" durch­zieht den gan­zen Roman. Die­se geheim­nis­vol­le und blut- rüns­ti­ge Geschich­te ist wie ein Spie­gel, durch den das eige­ne Leben reflek­tiert wird.

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Foto: by_SueSchi_pixelio.de

Es ord­net sich so  ein in den gro­ßen Fluss von Menschengeschichte(n), der zu allen Zei­ten hel­le und trü­be Stel­len hat­te, Dyna­mik und Still­stand, Lie­be und Hass in sei­nen Was­sern mitführte.

Regi­na Sche­ers Roman ist für mich ein star­kes Plä­doy­er für die Kraft und die Macht des Erzäh­lens. Die die Gene­ra­tio­nen (wie­der) ver­bin­den und stär­ken kann. Damit jede im Fluss des Lebens leben­dig mit­schwim­men und nicht durch die Last – der nicht erzähl­ten Erin­ne­run­gen – abge­trie­ben wird.

Astrid Priebs-Trö­ger

Regi­na Scheer ver­an­stal­tet in Ber­lin ein­mal monat­lich ein Erzähl­ca­fé www.pankstrasse-quartier.de/Regina-Scheer

 

 

 

 

 

 

 

 

07. August 2015 von Textur-Buero
Kategorien: Alltagskultur, Literatur | Schreibe einen Kommentar

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