Achterbahntanz
Bei diesem Typen tanzt einfach alles: rote Bälle, weiße Teller, regenbogenfarbige Ringe und Keulen. Und das sowohl in der Luft als auch in transparenten Röhren, auf dem Boden, auf Stäben und auf und um seinen baumlangen Körper herum.
Zum Finale des diesjährigen Wintercircus war der amerikanische Weltklasse-Jongleur Wes Peden im T‑Werk zu Gast und er ließ in "Rollercoaster" alles, was ihm in die flinken Hände kam, im Achterbahnmodus rotieren.
Denn für diese atemberaubenden Rummelplatzattraktionen hat der freundliche Riese mit Vollbart und rot gefärbten Igelhaaren seit seiner Kindheit eine besondere Vorliebe, wie er in den eingesprochenen Zwischentexten bekennt.
Und er benutzt zwischen seinen verschlungenen blauen Luft-Skulpturen, die an Achterbahnelemente erinnern, seinen überaus geschmeidigen Körper geschickt dazu, seine unzähligen Objekte beim Fliegen oder Rotieren in der Balance zu halten.
Dabei geht es wie auf einer Achterbahnfahrt – oder auch sprichwörtlich wie im Leben – ständig hoch und runter, in rasanten Loopings um die nächste Kurve, immer wieder zwischen seinen Beinen oder Armen hindurch. Bei ihm natürlich ohne Netz und doppelten Boden, sodass auch die ein oder andere Keule lautstark auf den Boden knallt.
Dafür verbiegt und "verknotet" sich der großgewachsene Mann und lässt seine Handgelenke und Unterarme wahnsinnig schnell rotieren. "Rollercoaster" ist eine moderne Circus-Show, die virtuoses Jonglieren kongenial mit modernem Tanz verbindet und die Genregrenzen zwischen beiden spielerisch fließend aufweicht.
Wes Peden erfindet dabei neue, so noch nicht gesehene Jonglage-Bewegungen – wie die roten Bälle in den transparenten Schläuchen – die Achterbahnfahrten versinnbildlichen. Das Ganze ist eine originelle und ausgeklügelte Choreografie, die ihm physisch einiges abverlangt.
Zudem spiegelt sie das wunderbare Freiheitsgefühl von Achterbahnfahrten und lässt andererseits auch immer wieder die unvermeidlichen Angstmomente bei den Loopings aufscheinen, sodass auch die Zuschauer:innen dabei in ein andauerndes Wechselbad der Gefühle gelangen.
"Rollercoaster" ist eine sowohl spielerische als auch philosophische Auseinandersetzung mit Themen wie Freiheit und Sicherheit und wie im richtigen Leben auch kann man sich dabei herrlich amüsieren oder angstvoll schreien oder alles (andere) tun, was dazwischen auch noch möglich ist.
Bei Wes Peden lässt man sich bereitwillig in diese, auch akustisch immer wieder aufscheinende Achterbahn mitnehmen und dabei lässt er in den eingesprochenen Zwischentexten auch noch seine Gedanken kreisen respektive tanzen.
So erfährt man, dass er die Verbindung zwischen Jonglage und Achterbahnfahren beim Spielen des altmodischen Videospiels Rollercoaster Tycoon, mit dem man seine eigenen Achterbahnen entwerfen kann, entdeckte. Drei Jahre arbeitete er, um seinen eigenen fulminanten Achterbahntanz auf die Bühne zu bringen.
Astrid Priebs-Tröger
Die Arbeit an diesem Artikel wurde "gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland."