Fragments of resilience

Was für ein erschüt­tern­der Abschluss der Pots­da­mer Tanz­ta­ge! Die War­schau­er Maciej Kuź­miń­ski Com­pa­ny pflanz­te mit "Every Minu­te Mother­land" die gewalt­vol­le Ener­gie des Krie­ges in meinen/unsere Körper.

Sie­ben Tänzer:innen, dar­un­ter fünf geflüch­te­te Frau­en aus der Ukrai­ne, tre­ten immer wie­der, kräf­tig auf­stamp­fend und mit syn­chro­nen Bewe­gun­gen, bei­na­he selbst wie ein mili­tä­ri­scher Ver­band auf. Sogar im Lie­gen bezie­hungs­wei­se Fal­len ent­wi­ckeln sie wei­ter­hin eine unge­heu­re Ener­gie des Auf­bäu­mens und Wider­ste­hens. Ihre Kör­per fin­den kei­ne wirk­li­che Ruhe, kei­ne Entspannung.

Every_Minute_Motherland_ Foto: Maciej_Rukasz

Das fühlt sich zu erns­ter Kla­vier­mu­sik und der immer wie­der ein­tre­ten­den Stil­le sehr beklem­mend an und es wird noch hef­ti­ger, als ein Klein­kind im Publi­kum wäh­rend­des­sen laut zu wei­nen anfängt. In "Every Minu­te Mother­land" ent­ste­hen heroi­sche, sehr stark mit männ­li­cher Ener­gie auf­ge­la­de­ne Bil­der. Die Cho­reo­gra­fie bezie­hungs­wei­se die Dra­ma­tur­gie stam­men von Maciej Kuź­miń­ski und Paul Bargetto.

Wie auch die "Mut­ter Hei­mat" ein Kolos­sal­denk­mal, das in der Ukrai­ne und in Russ­land weit ver­brei­tet ist, von Män­nern stammt. Und die bei Kuź­miń­ski zwar nur noch auf einem Bein aber wei­ter­hin unver­rück­bar steht.

Every_Minute_Motherland_ Foto: Maciej_Rukasz

Zum Glück gab es im Anschluss an die ver­stö­ren­de Insze­nie­rung als Pen­dant den 25-minü­ti­gen Film der ukrai­ni­schen Jour­na­lis­tin Anna Seme­no­va "Frag­ments of Resi­li­ence" im Fes­ti­val­zelt zu sehen, der den Ent­ste­hungs­pro­zess die­ser pol­nisch-ukrai­ni­schen Tanz­in­sze­nie­rung zeigt.

Und die Men­schen, die jun­gen Frau­en, die dahin­ter ste­hen. Bei ihnen flie­ßen auch Trä­nen, ihre Angst und Ver­un­si­che­rung sind zu spü­ren. Das unter­streicht ihre Mensch­lich­keit, zeigt neben der Stär­ke auch die Ver­lo­ren­heit der Geflüch­te­ten und ist ein emo­tio­na­les Gegen­stück zum Büh­nen­ge­sche­hen. Denn: Flucht ist nicht hero­isch. Sie gilt noch immer als "unmänn­lich".

Every_Minute_Motherland_ Foto: Maciej_Rukasz

In "Frag­ments of Resi­li­ence" ist für mich als Zuschaue­rin Ein­füh­lung mög­lich, gegen die gewalt­vol­len Ener­gien des Stü­ckes habe ich mich hin­ge­gen früh  men­tal und  kör­per­lich gepan­zert. Nichts­des­to­trotz ergrif­fen sie mei­nen Kör­per und ent­lu­den sich in der dar­auf fol­gen­den Nacht.

Am Ende von "Every Minu­te Mother­land" gibt es, als nur noch die Frau­en im Licht­ke­gel tan­zen, eine ande­re, viel flie­ßen­de­re weib­li­che Ener­gie und die Frau­en schwim­men mit aus­ge­brei­te­ten Armen und auf einem Bein in ihrem neu­en (Lebens-)fluss – die "Hei­mat" ist jetzt in ihrem Inne­ren verankert.

Astrid Priebs-Trö­ger

Die Arbeit an die­sem Arti­kel wur­de "geför­dert durch die Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en im Pro­gramm NEUSTART KULTUR, Hilfs­pro­gramm DIS-TANZEN des Dach­ver­band Tanz Deutsch­land."

 

12. Juni 2023 von Textur-Buero
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