Kreativkosmos
Potsdam ist ein Ort für Kreative. An gefühlt fast jeder Ecke in der (Innen-)Stadt gibt es Ateliers und Galerien, proben Theatergruppen oder Bands. Und es werden immer mehr.
Die brauchen Platz. Weil dieser aber nur begrenzt vorhanden und die halbe Stadt längst ein Ort der Gentrifizierung geworden ist, haben sich vor zwei Jahren anfangs vor allem Musiker*innen zusammengetan und die Potsdamer Kulturlobby gegründet.
Dieser Zusammenschluss hat es geschafft, innerhalb kurzer Zeit ein Gebäude im Herzen der Stadt vor dem Abriss zu bewahren und es für drei Jahre für kulturelle Zwecke umnutzen zu dürfen. Die Rede ist vom ehemaligen Rechenzentrum an der Breiten, Ecke Dortustraße.
Am 1. März hatte der Dokumentarfilm „Vom Abrissobjekt zum Kreativkosmos“ im Thalia Kino Premiere und der große Saal war rappelvoll mit Kreativen, Wegbegleiter*innen und Unterstützern. Zeigt der Film von Kristina Tschesch und Elias Franke doch diese zweijährige Erfolgsgeschichte in eindrucksvollen Bildern und Worten.
„Wer sich tummelt, erreicht sein Ziel“, fasste Anja Engel, die jetzige Kulturmanagerin des Rechenzentrums, im Film das Erfolgsrezept zusammen und es wurde deutlich, dass es dafür professionelle und solidarische Netzwerke in alle gesellschaftlichen Ebenen hinein braucht.
Die Kulturlobby und der Mitmachen e. V. sind solche Netzwerker*innen. Und: hier trafen ein Bedürfnis der Stadt (Zwischennutzung des Rechenzentrums) und der Kreativen (preiswerte Räume) zeitlich perfekt zusammen. Außerdem haben Initiativen wie die „Scholle 51“, das „Freiland“ oder die „Panzerhalle“ schon Pionierarbeit in der Verwaltung und anderswo geleistet.
Seit September 2015 wird das Rechenzentrum vermietet. Bildende Künstler*innen und Kunsthandwerker, Startups und Initiativen sind bereits eingezogen. Die Musiker*innen, die den ganzen Prozess angeschoben haben, gingen dagegen bisher weitgehend leer aus.
Ihnen geeignete Räume zu verschaffen und die unzähligen Initiativen in der Stadt mitein- ander zu vernetzen, steht ab sofort auf dem Programm der Potsdamer Kulturlobby.
Denn auch wenn die Macher*innen selbstbewusst sagen, „dass das (kulturelle) Herz jetzt hier (im Rechenzentrum) schlägt“, gehören zu einem funktionierenden städtischen Kreativkosmos nicht nur "Flaggschiffe", sondern auch viele einzelne Boote, die wendig und einfallsreich in den unterschiedlichsten Gewässern unterwegs sind.
Der Film ist – wenn schon nicht "oscarverdächtig", wie Jann Jacobs euphorisch zur Premiere sagte – so doch ein sehr gelungenes Zeitdokument, das eine demokratische Bewegung an einem geschichtsträchtigen Ort kongenial abbildet.
Astrid Priebs-Tröger