Lebensmittel: Kultur
"Kultur ist jeder zweite Herzschlag unseres Lebens." Die Bedeutung dieses Satzes des Potsdamer Arbeiterdichters Hans Marchwitza wird mir/uns in "Corona"-Zeiten bewusster denn je.
Denn jegliche öffentlichen Kulturräume sind geschlossen, ja selbst die ganz normale tägliche Kommunikation mit den alten Bekannten auf der Straße, die ich auch zur Kultur im weiteren Sinne zähle, ist zumindest durch ihre minimierte Frequenz und den geforderten räumlichen Abstand erschwert.
Was bleibt, ist das World Wide Web. Aber auch nur denjenigen, die es betreten und sich darin bewegen können. Es gibt viel zu viele Arme und Alte, die (gerade jetzt) keinen Zugang dazu haben! Andererseits ist zu viel "Social Media" in diesen aufgeheizten Zeiten auch nicht für jede*n gut/verträglich.
Viel berührender ist es da schon, mit jemandem Konkreten am Telefon in Kontakt zu treten oder wie es auch möglich ist, Künstler*innen, die man/frau kennt, sich über youtube ins Haus zu holen. In Potsdam waren die Frauen des Erzählwerks mit die Ersten, die ihre Kunst ins Internet verlegten.
Schon seit zehn Jahren beschäftigen sich die Frauen des ErzählWerks mit der uralten Tradition der mündlichen Weitergabe von Geschichten und lernen sie von der Erzählerin und Schauspielerin Suse Weisse.
Bereits am 20. März 2020 setzten die Erzähler*innen ihr erstes Video – Suse Weisse erzählt die Geschichte von "Molly, Mr. Fox und der Ball aus Kristall" – ins Netz. Hier sind inzwischen viele weitere Geschichten zu finden. Und es tut ungemein gut, diese Geschichten z. B. abends zu hören.
Für alle, die auch in Krisenzeiten lachen wollen, hat sich die Potsdamer Clownin Angela Hopkins etwas ausgedacht. Auf ihrem Facebook-Account kann man mehrere kleine Clownsnummern zur aktuellen Situation verfolgen. Köstlich. https://www.facebook.com/angela.goette
Neben diesen Einzelinitiativen von soloselbstständigen Künstler*innen beginnt auch die Potsdamer fabrik ,Teile ihres Kursangebotes online zu stellen. Die Tänzerin Odile Seitz bietet jetzt ihre Body-Mind-Centering-Kurse online an. Weitere Angebote sollen folgen.
Und auch musikalisch hat Potsdam etwas zu bieten. Auf youtube streamen seit 18. März Potsdamer Künstler*innen. Und man kann nur hoffen, dass neben den Big Playern wie dem Museum Barberini – virtuelle Führung durch die aktuelle Monet-Ausstellung – vor allem den unverzichtbaren "Kleinen" und "Freien" gerade in diesen Zeiten nicht die Luft ausgeht.
Dazu will auch dieser Blog beitragen. Gerade ist bei mir ein Paket des Berliner naundob-Verlages angekommen, der seine Bücher alle in Einfacher Sprache veröffentlicht. Auch dies unverzichtbar – nicht nur, weil die soziale Betreuung gerade an vielen Stellen ausgedünnt/ auf das Notwendigste beschränkt wurde.
Astrid Priebs-Tröger