Liebe und Vergänglichkeit

Was gibt es Bes­se­res in die­sen krie­ge­ri­schen Zei­ten, als sich mit der Lie­be zu beschäf­ti­gen. Das Wan­der­thea­ter "Ton und Kir­schen" hat dies mit sei­ner Insze­nie­rung von Shake­speares "Sonet­ten" getan.

Auf den Bret­tern, die hier ganz beson­ders die Welt bedeu­ten, krei­sen drei Frau­en und vier Män­ner einen Abend lang poe­tisch und direkt, ein­deu­tig und dif­fe­ren­ziert, distan­ziert und nah zugleich um das mensch­lichs­te aller The­men. In über drei­ßig kur­zen Sequen­zen, die mal ver­zau­bern, mal ver­stö­ren oder ein­fach nur geheim­nis­voll bleiben.

Eine Aus­wahl aus Shake­speares 154 Sonet­ten ver­bin­den sie zu einem fas­zi­nie­rend schil­lern­den Kalei­do­skop der wech­seln­den Lei­den­schaf­ten. Die ver­ge­hen­de Zeit ist von Anfang an mit dabei: Ein jun­ger Mann wäscht sich in einer Schüs­sel Gesicht und Hän­de. Und nur einen Wim­pern­schlag spä­ter rinnt Sand durch sein Haar und das Alter hat sich nach­drück­lich in sei­nen Kör­per eingeschrieben.

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Foto: pro­mo

Ja, die Ver­gäng­lich­keit ist immer mit zu Gast an die­sem Abend. Wun­der­bar, wenn sich das alte Paar (Mar­ga­re­te Biereye und David John­s­ton) acht­sam und lie­be­voll begeg­net und scha­de, dass die jun­gen Lie­ben­den (Poli­na Boris­so­va, Richard Hen­schel, Rob Wyn Jones und Nel­son Leon) so man­che Gele­gen­heit leicht­sin­nig und acht­los verpassen.

Schön, wie die viel­spra­chi­ge Trup­pe eine uni­ver­sel­le Spra­che fin­det, um ihre Lie­be zuein­an­der und zum Thea­ter aus­zu­drü­cken. Und: so durch­gän­gig musi­ka­lisch war noch kei­ne der Insze­nie­run­gen: Fla­men­co, Coun­try, Swing und Blues ver­mi­schen sich aufs Treff­lichs­te. Und die Frau­en­stim­men drin­gen mit­ten ins Herz.

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Beson­ders berüh­rend war für mich die Sze­ne, in der Frau­en der vier ver­schie­de­nen Lebens­al­ter gemein­sam auf­tre­ten. Das Mäd­chen (Poli­na Boris­so­va), die Frau (Dai­sy Wat­kiss), die Alte (Mar­ga­re­te Biereye) und die Grei­sin: Die­se ist eine wei­ße Mas­ke, die Dai­sy Wat­kiss nebst Kleid über ihren Arm gestreift hat.

In nur einem Augen­blick zieht so das gan­ze Men­schen­le­ben an einem vor­über: lie­be­voll und ver­gäng­lich. Die­ses Bild sagt mehr als die berühm­ten tau­send Wor­te und schon dafür hat sich die­ser thea­tra­le und lebens­pral­le Abend gelohnt.

Und weil von den wun­der­ba­ren Sonet­ten nur Bruch­tei­le zu Gehör kamen, war es danach mein dring­lichs­ter Wunsch, Shake­speares Tex­te in die Hand zu neh­men und mich von den Wor­ten zum Nach­den­ken und –füh­len wie­der neu ver­füh­ren zu lassen.

Astrid Priebs-Trö­ger

Die­se Insze­nie­rung ist am 20. und 21. Novem­ber jeweils um 20 Uhr und am 22. Novem­ber um 16 Uhr in der fabrik in Pots­dam zu sehen.

16. November 2015 von Textur-Buero
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