Perspektivwechsel

Auch beim 25. Jubi­lä­ums­fes­ti­val bil­de­te der drit­te Abend das Schar­nier zum Fina­le, das heu­te und mor­gen mit zahl­rei­chen Deutsch­land­pre­mie­ren und Höhe­punk­ten aufwartet.

Über­all im illu­mi­nier­ten Schirr­hof­ge­län­de waren am Don­ners­tag Besucher*innen unter­wegs. Sie chill­ten zwi­schen den Vor­stel­lun­gen im Fes­ti­val­zelt, dis­ku­tier­ten hit­zig oder tran­ken noch spät­abends Kaf­fee. Um fit für die fol­gen­den Vor­stel­lun­gen zu sein. Fes­ti­val­at­mo­sphä­re pur, und das Gefühl, dass auch das 25. einen ganz eige­nen Sog entwickelt.

Festivalatmosphäre pur

Schon jetzt sind die meis­ten Vor­stel­lun­gen aus­ver­kauft. Und so dräng­ten sich auch bei der letz­ten Vor­stel­lung des Abends die Gäs­te vor der glä­ser­nen "Deep"-Box. Und auch am Ein­gang der Wasch­haus-Are­na, in der ein­ma­lig die Tanz­pro­duk­ti­on "Freu­de" von Joshua Mon­ten gezeigt wurde.

DEEP, Foto: Daan Mathot

Doch davor gab es noch eine Doron-Vor­stel­lung von "Besuchs­zeit vor­bei", das unter Fes­ti­val­gäs­ten sehr emo­tio­nal aber auch ziem­lich kon­tro­vers dis­ku­tiert wird. Wäh­rend ich am Vor­abend von der bedrü­cken­den Sze­ne­rie nach­hal­tig auf­ge­wühlt wur­de, erfuhr ich  einen Tag spä­ter in Gesprä­chen, dass es ande­ren Besu­chern völ­lig anders damit geht: "Das ist eine sozio­lo­gi­sche Stu­die und kei­ne Kunst!"

Intensive Gespräche und kontroverse Standpunkte

Und schon war ich wie­der in ein Gespräch ver­wi­ckelt, das mir auch über­ra­schend ande­re Per­spek­ti­ven eröff­ne­te. Und die­se Fle­xi­bi­li­tät braucht es schon, um sich fünf Tage lang, mit so unter­schied­li­chen Pro­duk­tio­nen wie denen eines sol­chen Thea­ter- respek­ti­ve Per­for­mance-Fes­ti­vals auseinanderzusetzen.

Im Kunst­raum, wo die vor­he­ri­ge, sehr kon­tem­pla­ti­ve Instal­la­ti­on "The Need to move for­ward" inzwi­schen abge­baut war, erwar­te­te die Besucher*innen nun ein manns­ho­her glä­ser­ner Qua­der, der im obe­ren Drit­tel mit schwar­zem Stoff bedeckt war. Man stand dicht­ge­drängt neben­ein­an­der an den Sei­ten des Wür­fels und wur­de durch den tief­hän­gen­den blick­dich­ten Stoff gezwun­gen, nach unten zu blicken.

Näm­lich in die Tie­fe, in die Enge eines  sur­rea­lis­tisch anmu­ten­den Rau­mes, in dem ein Schreib­tisch mit leuch­ten­dem Glo­bus stand. Doch nicht die­ser ist so unge­wöhn­lich, son­dern, dass in die­ser Box die Schwer­kraft außer Kraft gesetzt zu sein scheint. Ten­nis­bäl­le flie­gen nach oben, die Haa­re des Prot­ago­nis­ten ste­hen zu Ber­ge und sein Stift, mit dem er als ers­tes "Exit" auf sei­nen Block schreibt, ist fest­ge­bun­den an einer Schnur.

Joshua Monten/Freude/Foto: Jonas Kambli

Doch einen Aus­gang sucht und fin­det der skur­ri­le Typ mit dem Retro-Wes­t­over erst­mal nicht. Statt­des­sen trop­fen ima­gi­nä­re Trop­fen in sei­nen Becher, schwel­len akus­tisch an zum Fluss, den der sonst Ertrin­ken­de mit sei­nem Tisch­boot zu ver­las­sen ver­sucht. Nach zehn Minu­ten und einem wil­den Raum-Tanz-Flug wird dann selbst dem Letz­ten die per­fek­te opti­sche Täu­schung bewusst, die in "Deep" alle  Seh­ge­wohn­hei­ten außer Kraft setzt.

Sehgewohnheiten außer Kraft setzen

Auch die Tanz­pro­duk­ti­on "Freu­de" spiel­te voll­kom­men mit unse­ren Vor­lie­ben und Seh­ge­wohn­hei­ten. Schon immer hat es Zuschauer*innen (Schaden-)Freude berei­tet, wenn auf dem Thea­ter gehau­en, gesto­chen, geschla­gen wur­de. In "Freu­de" klopp­ten sich zwei Frau­en und drei Män­ner so inten­siv, dass es andau­ernd klatsch­te und krach­te und nicht nur ein­mal die Zäh­ne wackelten.

Jedoch nach einer Vier­tel­stun­de hat­te zumin­dest ich von die­ser effekt­vol­len Anein­an­der­rei­hung und Zursch­aus­stel­lung von Tech­ni­ken des sti­li­sier­ten Büh­nen­kamp­fes die Nase voll und hät­te es vor­ge­zo­gen, das alles wenigs­tens mit einer klit­ze­klei­nen Sto­ry ver­knüpft ser­viert zu bekommen.

Astrid Priebs-Trö­ger

02. November 2018 von admin
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