Requiem auf ein Moor
Moore sind geheimnisvolle, fast mystische Orte. Und sie sind vom Aussterben bedroht. Denn obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, binden sie ungefähr so viel Kohlenstoff wie die gesamte Vegetation der Erde enthält.
Mit dem Tanzstück "I want to be a swamp" eröffnete am Freitagabend das 3. Festival Kunst und Klima in der fabrik. Die mexikanische Choreografin Yolanda Morales hatte sich nach intensiver Beschäftigung mit norddeutschen Mooren durch diese inspirieren lassen und quasi ein Requiem auf ursprüngliche Moorlandschaften kreiert.
Nebelschwaden wallen anhaltend über die fabrik Bühne und fünf Gestalten schwimmen erdig und schwerelos zugleich zwischen ihnen. Sie bewegen sich zeitlupenhaft und ausschließlich in der Horizontale. Im Zwielicht sind nur einzelne Knackgeräusche zu hören. Die Zeit scheint still zu stehen und es ist nicht eindeutig, ob sich da menschliche oder tierische Wesen bewegen.
Als die dichten Nebelschwaden langsam verschwinden, werden die Bewegungen der vier Tänzerinnen und des einen Tänzers größer und schneller, und nach und nach begeben sich die Performer in die Vertikale, entwickeln dabei den aufrechten Gang. Hierbei kommen auch Wortfetzen zum Einsatz, schließlich tönen und später singen sie. Vor allem stöhnend und wehklagend, aber immer sehr organisch.
Immer öfter formieren sie sich als Gruppe, jetzt unter den zwei Dutzend angeleuchteten Stäben, die von der Decke hängen und ab und an wird ihr Gesang von "Donnergrollen" begleitet/ unterbrochen.
In auffälligem Kontrast zur fast schamanisch anmutenden Zeremonie stehen die silbrig-pinkfarbigen Glitzerkostüme der Tänzer:innen, die eher in eine Diskothek passen. Damit und auch wenig später durch eine anschwellende Geräuschkulisse, die an Großstadtleben erinnert, wird der Kontrast zwischen Natur und Kultur sinnlich erfahr- und erlebbar.
Und damit zur Folie, die sich nach und nach über den ersten fast mystischen Teil legt/ausbreitet. Und in diesem auffälligen Kontrast das zerstörerische Potenzial der menschlichen Kultivierung (der Landschaften/der Natur) erdrückend offenlegt.
Es ist ungemein erleichternd, als schließlich wieder Wasser als stetiger Regen niederrauscht und dabei auf Holz tropft und somit so etwas wie einen natürlichen Ausgleich/Kreislauf schafft. Und auch die Gruppe zum allmählichen Innehalten und schließlich wieder ins Dunkel (des Moores/des Waldes?) bringt.
"Ich bin Natur" ist das Motto des diesjährigen Kunst und Klima Festivals, und Yolanda Morales Moor-Performance zeigte eindrucksvoll, wie sehr wir selbst zur Natur gehören und wie haltlos wir werden, wenn wir sie uns untertan machen und zerstören.
Astrid Priebs-Tröger