Social Distancing
Seit mehr als drei Wochen befindet sich Deutschland im Corona-Shutdown. Es sind ALLE angehalten, 'social distancing' zu üben. Doch was ich heute im Biosupermarkt erlebte, lässt mich die sogenannte Risikogruppenstrategie zum wiederholten Mal ganz entschieden in Frage stellen.
Ich habe seit mehr als drei Wochen meine Enkelinnen nicht mehr in den Arm genommen und nur einmal draußen auf Abstand gesehen. Ich will sie nicht gefährden und inzwischen wissen die Fünf- und Siebenjährigen, dass ältere Menschen stärker durch das Virus gefährdet sind. Und verhalten sich dementsprechend.
Nicht so die jüngere Bioladenklientel. Sie reisen noch immer mit allen ihren (kleinen) Kindern zum Einkaufen an. Dann parken sie ihre Fahrradanhänger dicht an dicht vor dem Eingang und stellen sich dazu, um sich zu unterhalten. Die Eingangssituation in "meinem" Supermarkt ist ohnehin nicht Corona-tauglich und jeder Einkauf fühlt sich an wie Spießrutenlaufen. Aber was soll‘ s!
Drinnen werden die Mindestabstände außerhalb des Kassenbereichs nur in den seltensten Fällen eingehalten – ICH brauche ja schließlich auch noch Eier oder Molkereiprodukte. Und wenn da schon jemand danach sucht, stelle ICH mich halt dazu ….
Ich ernte missmutige Blicke, wenn ich Abstand einfordere – vor allem von Mundschutzmaskenträger *innen, selbstgenähten versteht sich. Die fühlen sich oft auf surreale Art "sicher" und "erobern" den öffentlichen Raum. Sie sind halt schneller, breiter und größer als ich.
Letzteres erlebe ich auch immer wieder beim Radfahren. Jüngere durchtrainierte Männer drängeln sich wie in Vor-Corona-Zeiten an mir vorbei – mit nicht mal fünfzig Zentimetern Abstand. Sie radeln in ihren neonfarbigen Rennradklamotten dem Virus einfach davon … und die langsame "Alte" kann sehen, wo sie bleibt … so fühlt es sich jedenfalls für mich an.
Im Bioladen bildete sich heute an Gründonnerstag eine Kassenschlange, die durch den halben Laden reichte – siehe Mindestabstände. Endlich wurde eine zweite Kasse eröffnet, was in diesem Laden aber nicht günstig ist, da beide Kassen kaum 1,50 Meter entfernt voneinander sind. Also steht man zwar in der Länge auf Sicherheitsabstand aber keinesfalls in der Breite.
Wenn sich dann auch immer wieder Kund*innen, die nicht bezahlen müssen aber schnell den Laden verlassen wollen, hindurchdrängeln, ist der Viren-Hotspot perfekt. Und ich frage mich langsam aber sicher, warum ich wochenlang meine Enkelinnen nicht sehen darf, mich aber von völlig fremden Menschen so rücksichtslos gefährden lassen soll/muss.
Wohlgemerkt, es geht mir dabei nicht nur um mich, aber mein Ehemann verlässt seit Wochen wegen seiner Autoimmunkrankheit nur sporadisch das Haus und ich versuche mit aller gebotenen Vorsicht, den Außenkontakt aufrecht zu erhalten und unsere Versorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten.
Und wenn dann heute vor mir im Bioladen noch ein Baby in Rückentrage transportiert wird und dabei ohne Mundschutz immer wieder schrecklich hustet, verliere ich jeden Glauben in den Mundschutzmasken tragenden Vater.
Und mir fällt nur noch ein, nach grundsätzlichen Reglementierungen für die sogenannten Jungen zu verlangen, denn leider schickt der "liebe Gott" auch in diesen Zeiten nicht mehr Hirn und Einfühlungsvermögen. Aber wahrscheinlich verstehe ich da nur etwas falsch, denn Englisch war nie meine starke Seite.
„Social Distancing“ (Nomen est Omen) heißt übersetzt soziale Distanzierung – und die findet gerade massiv statt, zwischen Jungen und Alten, Armen und Reichen, Gesunden und Kranken – und das scheint auch von immer mehr Menschen so gewollt zu sein. Frohe Ostern allerseits!
Astrid Priebs-Tröger