Aus den Augen aus dem Sinn

Wäh­rend in Ber­lin noch die Ber­li­na­le tobt, tourt durch Bran­den­burg bis April die 14. Öko­film­tour. Sie mach­te auch in Pots­dam Sta­ti­on, wo sie den Doku­men­tar­film "Plas­tik über­all – Geschich­ten vom Müll" von Albert Knech­tel und Nan­ja Teu­scher im Film­mu­se­um zeigte.

Wie der Titel schon sagt, geht es um Kunst­stoff und die damit ein­her­ge­hen­de Ver­mül­lung der Erde. Denn das viel­sei­ti­ge Mate­ri­al, das in den 1950er Jah­ren in der Ver­pa­ckungs- und Auto­in­dus­trie, in der Medi­zin oder im Bau­we­sen sei­nen welt­wei­ten Sie­ges­zug antrat, ist inzwi­schen zu einem ernst­haf­ten glo­ba­len Pro­blem gewor­den. Ins­ge­samt wur­den auf der Erde bis­her rund 8,3 Mil­li­ar­den Ton­nen Kunst­stoff pro­du­ziert. Bil­der von mit Plas­tik ver­müll­ten Strän­den und Gewäs­sern, qual­voll ver­en­de­ten See­vö­geln oder Walen haben sich ins kol­lek­ti­ve Gedächt­nis ein­ge­brannt und sind auch in die­sem fak­ten­rei­chen Film immer wie­der zu sehen.

1950er Jahre – Siegeszug des Plastik beginnt

"Es ist schwer, auf der Erde einen Ort zu fin­den, an dem es kein Plas­tik gibt", sagt eine Wis­sen­schaft­le­rin am Anfang. Doch es wird bald klar, dass es nicht die unzäh­li­gen Ein­weg­fla­schen sind, die der Mensch­heit das größ­te Kopf­zer­bre­chen berei­ten, son­dern das dar­aus ent­ste­hen­de Mikro­plas­tik. Fes­te und unlös­li­che Kunst­stof­fe, die klei­ner als 5 Mil­li­me­ter sind und wei­te­re Umwelt­gif­te anzie­hen, von Mee­res­or­ga­nis­men gefres­sen wer­den und nicht mehr aus der Natur zu ent­fer­nen sind. Genau wie der immense Rei­fen­ab­rieb von Fahr­zeu­gen, der inzwi­schen Fein­staub­qua­li­tät hat und somit lun­gen­gän­gig ist.

"Plastik ist ein Experiment am Menschen"

Jemand im Film fass­te das Dilem­ma so zusam­men: Plas­tik ist das Lieb­lings­spiel­zeug von Inge­nieu­ren, aber ein Expe­ri­ment am Men­schen, weil der "Abfall" nicht mit­ge­dacht wird. Die­sen denkt auf jeden Fall das Kon­zept "Crad­le to crad­le" (Von der Wie­ge zur Wie­ge) bereits vor der Her­stel­lung von Pro­duk­ten mit, des­sen Geschäfts­füh­rer Tim Jan­ßen eben­falls im Film­mu­se­um zu Gast war. Und wäh­rend Jan­ßen sich dafür ein­setzt, Müll von vorn­her­ein zu ver­mei­den und wie in der Natur Nähr­stoff­kreis­läu­fe zu beför­dern, kam im Film auch der nie­der­län­di­sche Umwelt­ak­ti­vist Meri­jn Tin­ga zu Wort. Der sich mit spek­ta­ku­lä­ren Sur­fak­tio­nen dafür ein­setzt, in Hol­land end­lich ein Pfand­sys­tem für klei­ne Plas­tik­fla­schen einzuführen.

Reycling verschiebt das Problem nach China

Dies exis­tiert in Deutsch­land schon län­ger, doch der Film von Knech­tel und Teu­scher leg­te auch hier den Fin­ger in die Wun­de. Nur ein Bruch­teil der deut­schen Plas­tik­fla­schen hat wirk­lich Mehr­weg­qua­li­tät, der Groß­teil wird ein­fach ver­brannt oder nach Chi­na expor­tiert. Und dann als zum Teil hoch­gif­ti­ges Bil­lig­plas­tik, z. B. in Form von Spiel­zeug, wie­der impor­tiert. Das fern­öst­li­che Land setzt sich jedoch seit 2018 gegen die welt­wei­ten Müll­ex­por­te zur Wehr, die es selbst öko­lo­gisch kol­la­bie­ren las­sen. Inzwi­schen wird krampf­haft nach Aus­we­gen gesucht, um die Kunst­stoff­ab­fäl­le der rei­chen Indus­trie­na­tio­nen nicht vor der eige­nen Haus­tür lagern bzw. ent­sor­gen zu müs­sen. Denn unser effi­zi­en­tes Recy­cling-Sys­tem bewirkt, dass sie "aus den Augen, aus dem Sinn ver­schwin­den, wie es eine Zuschaue­rin formulierte.

Nährstoffkreisläufe schaffen: Cradle to cradle

Oder, wie es ein Lob­by­ist der Kunst­stoff­in­dus­trie, die wei­ter­hin rasant wächst, im Film zynisch demons­trier­te: "Leben ist immer mit Risi­ko ver­bun­den." Sprich, der Abfall und sei­ne Fol­gen sind nicht ihr/sein Pro­blem. Dass das nicht so wei­ter­ge­hen kann, zeig­ten auch meh­re­re Dis­kus­si­ons­bei­trä­ge  im anschlie­ßen­den Publi­kums­ge­spräch. Gegen die Weg­werf­men­ta­li­tät enga­giert sich bei­spiels­wei­se die Pots­da­mer Bür­ger­stif­tung. Marie-Lui­se Glahr brach­te den Pots­PRES­SO-Mehr­weg­be­cher mit. Und ein Stu­dent der Uni Pots­dam setz­te sich für Putz­ak­tio­nen und Unver­packt­lä­den ein und stell­te aber auch die Sys­tem­fra­ge, "denn Kapi­ta­lis­mus ist nicht nachhaltig."

Astrid Priebs-Trö­ger

15. Februar 2019 von Textur-Buero
Kategorien: Allgemein, Alltagskultur, Film | Schlagwörter: , , , , , | Schreibe einen Kommentar

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