Das Unerwartete umarmen

Man muss eine schma­le Eisen­trep­pe hin­auf, den schwar­zen Ball der ver­chrom­ten Hupe drü­cken und schon öff­net sich die Tür – und die Frau dahin­ter weit ihre Arme. Zumin­dest hat man das Gefühl, dass Ange­la Hop­kins dies tut, denn man fühlt sich sofort will­kom­men in ihrer Clowns-Remise.

Die­se befin­det sich in einem der weni­gen, nicht völ­lig glatt­sa­nier­ten, klei­nen Pots­da­mer Gewer­be­hö­fe, direkt über der Werk­statt eines Schrift- und Schil­der­ma­lers in der Len­né­stra­ße 74/75 in Pots­dam-West. Hop­kins hat den lan­ge leer­ste­hen­den Raum 2018 ent­deckt, und hat­te, wie sie sagt, sofort eine Visi­on: Alle Wän­de raus und alles weiß strei­chen. Der Raum mit dem schö­nen Holz­bo­den, den dunk­len Bal­ken und den vie­len Fens­tern ist seit­dem ihr, ein Zuhau­se für Clowns. Und danach hat Hop­kins, die 1971 in Bris­tol zur Welt kam, lan­ge gesucht.

Foto: promo/Angela Hop­kins (links)

Ein Zuhause für Clowns

Weil Hei­mat, wie sie sagt, seit ihre Eltern 1986 nach Deutsch­land zogen, immer ein The­ma war. Ange­la Hop­kins lan­de­te mit 15 in Frei­burg im Breis­gau und grün­de­te sehr schnell eine eige­ne Fami­lie und gemein­sam mit ihrem Mann eine Jugend­hil­fe­ein­rich­tung im Schwarz­wald. Nach vier gemein­sa­men Kin­dern und ins­ge­samt zwei­und­zwan­zig Jah­ren Bezie­hung ging die­se in die Brü­che und Ange­la Hop­kins mit den bei­den jüngs­ten Kin­dern nach Pots­dam. Es war, so erzählt sie,  ziem­lich eisig, als sie Anfang 2010 hier ein­traf und buch­stäb­lich bei null anfan­gen musste.

Doch die sehr zuge­wand­te, empa­thi­sche Frau, die  hier als Eng­lisch­leh­re­rin an Wal­dorf-Schu­len arbei­te­te, hat­te schon lan­ge etwas, mit dem sie auch als vier­fa­che Mut­ter im Schwarz­wald ihre Bat­te­rien auf­la­den konn­te. Seit dem Jahr 2000 hat­te sie regel­mä­ßig Clowns-Work­shops des "Nose to Nose"-Gründers Vivi­an Glad­well besucht. Und im Clow­ning so etwas wie einen roten Lebens­fa­den gefun­den. Dabei geht es im Nose-to-Nose-Kon­zept, das von den fran­zö­si­schen Bata­clowns , dem Roy Heart Thea­ter und Jac­ques Lecoq ‑Trai­ning beein­flusst ist, nicht dar­um, in ver­schie­de­ne tra­dier­te Clowns­rol­len zu schlüp­fen, son­dern dar­um, den eige­nen inne­ren Clown zu finden.

Den eigenen, inneren Clown finden

Was ist wirk­lich los (in mir)? Ist dabei eine der wesent­lichs­ten Fra­gen, so Hop­kins und dass es ganz wich­tig ist, authen­tisch zu sein. Die Nose-to-Nose-Clowns schmin­ken sich des­halb auch nicht, tra­gen aber zumin­dest Kos­tüm­tei­le und natür­lich rote Nasen, die kleins­ten Mas­ken der Welt.  Einen bun­ten Fun­dus von ver­schie­de­nen Kos­tü­men, Hüten und Requi­si­ten fin­det man auch in der Pots­da­mer Remi­se. In der jetzt monat­lich ver­schie­de­ne Work­shops für Pro­fis und Lai­en, für Mana­ger und die Oma von neben­an ange­bo­ten wer­den, denn Ange­la Hop­kins hat bei ihrem Leh­rer auch die Lehr­be­fug­nis erlangt.

So arbei­tet sie, seit sie in Pots­dam lebt, unter ande­rem mit Stu­die­ren­den der Trau­ma­päd­ago­gik oder mit Ärz­ten, die, wenn sie ihren inne­ren Clown ent­wi­ckelt haben, sich empa­thi­scher und damit heil­sa­mer auf ihre Pati­en­ten ein­las­sen kön­nen. Im Som­mer ist sie außer­dem oft in alten Her­ren­häu­sern in Schott­land unter­wegs und ver­bin­det dabei das Clow­ning mit ihrer zwei­ten Lei­den­schaft, dem Kochen.

Ein Ort, wo Menschen miteinander menschlich sein können

Doch nach dem vie­len Unter­wegs­sein sehn­te sie sich, als ihre bei­den Jüngs­ten das Haus ver­lie­ßen, noch­mal nach einer ganz eige­nen Her­aus­for­de­rung. Sie woll­te end­lich einen Raum schaf­fen, in dem, wie sie sagt, "Men­schen mensch­lich mit­ein­an­der sein kön­nen." Was bedeu­tet, sich wirk­lich auf­ein­an­der ein­zu­las­sen, wert­schät­zend mit­ein­an­der zu arbei­ten und eben viel zu lachen.  Auch wenn es, im Mit­ein­an­der Spie­len, immer auch ans Ein­ge­mach­te geht, um For­schen und Fra­gen. Aber vor allem dar­um, offe­ner für sich selbst und für ande­re zu wer­den und anstatt des Kop­fes das Herz spre­chen zu las­sen. Kurz, das Uner­war­te­te zu umarmen.

Denn ihre eige­ne Bio­gra­fie hat ihr mit 38 ganz deut­lich gezeigt, was für ein Lern­pro­zess das Los­las­sen und Über­win­den ist, was im Moment sein, bedeu­tet und wie wich­tig es ist, das zu schät­zen, was da ist. Sol­che Erfah­run­gen kann man spie­le­risch auch im Clow­ning machen. Und sie danach auch mit einem Publi­kum teilen.

"What’s love got to do with it?"

Am 29. März ist Ange­la Hop­kins mit einem neu­en Solo­pro­gramm im T‑Werk zu erle­ben, das ihr schon öfter Auf­tritts­mög­lich­kei­ten gebo­ten hat. Ihr Pro­gramm heißt "What’s love got to do with it?" und Ange­la Hop­kins ver­rät, dass sie sich dar­in auf eine Rei­se begibt und es wäh­rend­des­sen rat­sam ist, auf das eige­ne Gepäck zu achten.

Dem Ruck­sack, den sie als Clow­nin dabei hat, wird dabei sicher die eine oder ande­re eige­ne Lebens­ge­schich­te ent­stei­gen. Und auch das The­ma Hei­mat wird wie­der ins Spiel kom­men. Aller­dings hat Hop­kins dies­be­züg­lich jetzt eine wich­ti­ge Ent­schei­dung getrof­fen, so wird sie in Pots­dam die dop­pel­te Staats­bür­ger­schaft anneh­men. Etwas, das vor dem Brexit, als sie sich ganz als Euro­päe­rin fühl­te, nicht nötig war.

Astrid Priebs-Trö­ger

27. März 2019 von Textur-Buero
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