Liebeserklärung an das Theater

Wenn man (heu­te) ins Thea­ter geht, hat man zumeist die Erwar­tung, sich zurück­zu­leh­nen und unter­hal­ten las­sen zu kön­nen. Doch seit eini­ger Zeit kom­men Per­for­man­ces auf die Büh­ne, die die­se Erwar­tun­gen zer­stö­ren und die Zuschauer*innen zu "Kolloborateur*innen" machen (wol­len).

Dies pas­sier­te bei den dies­jäh­ri­gen Pots­da­mer Tanz­ta­gen in der Insze­nie­rung "Com­mon Emo­ti­ons" von Yas­meen God­der aus Tel-Aviv und es war auch am 14. und 15. Okto­ber bei der fABU­LEUS-Pro­duk­ti­on "Lie­bes­er­klä­rung" von Nico­le Beut­ler und Magne van den Berg in der Pots­da­mer fabrik zu erleben.

Am Anfang stan­den die­se sechs Jugend­li­chen noch wie gewohnt auf der Büh­ne, doch schon nach kur­zer Zeit des cho­ri­schen Spre­chens, dyna­mi­schen Beat­bo­xens und Tan­zens ver­lie­ßen sie ihre (ange­stamm­ten) Rol­len und Räu­me und näher­ten sich – zunächst nur ver­bal – dem Publi­kum, um es dann letzt­end­lich char­mant mit in den Büh­nen­raum zu neh­men und zum Mit­tan­zen zu bewegen.

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Foto: http://www.fabuleus.be/liefdesverklaring

"Lie­bes­er­klä­rung" hieß ihre Per­for­mance und eine sol­che gaben die drei Frau­en und Män­ner auch gleich zu Beginn an die  Zuschauer*innen ab. Sie begrüß­ten sie aus­gie­big, dank­ten ihnen förm­lich für ihr Kom­men, was ja (heut­zu­ta­ge) das Aus­schla­gen von vie­len ande­ren Mög­lich­kei­ten (wie Fern­se­hen, Kino, Inter­net u. a.) bedeutet.

Doch anstatt, wie üblich, die Zuschauer*innen dann zu Kunstkonsument*innen zu machen, woll­ten die­se jun­gen Darsteller*innen erleb­bar machen, wel­che (Begegnungs-)Möglichkeiten Thea­ter (noch und viel­leicht auch gera­de) im Inter­net­zeit­al­ter hat.

Frag­men­te aus Peter Hand­kes legen­dä­rer "Publi­kums­be­schimp­fung" beka­men in die­sem völ­lig ver­än­der­ten Kon­text einen ande­ren und erwei­ter­ten Sinn. Denn obwohl auch in "Lie­bes­er­klä­rung" das Publi­kum zumin­dest kurz­zei­tig "beschimpft" wur­de, ging es doch dar­um aus­zu­lo­ten, was so ein gemein­sa­mer respek­ti­ve kol­lo­bo­ra­ti­ver Abend für Mög­lich­kei­ten bie­tet – jen­seits der autis­ti­schen Beschäf­ti­gung mit und der per­ma­nen­ten Selbst­dar­stel­lung in den soge­nann­ten sozia­len Netzwerken.

Für mich war das ein Abend, in des­sen Ver­lauf ich ent­täuscht war, dass sich mei­ne Erwar­tun­gen (an ihn) nicht ganz erfüll­ten. (Zu) vie­le (eng­li­sche) Wor­te kön­nen statt Nähe auch Distanz schaf­fen bzw. ver­stär­ken. Im Nach­hin­ein hat er jedoch Vie­les in mir angestoßen.

Vor allem das (wie­der­hol­te) Nach­den­ken dar­über, wie zeit­ge­mä­ßes Thea­ter beschaf­fen sein müss­te, um (jun­ge) Men­schen dazu zu bewe­gen, abends das Haus zu ver­las­sen und an einem Gemein­schafts­er­leb­nis krea­tiv mitzuwirken.

Astrid Priebs-Trö­ger

16. Oktober 2016 von admin
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