Fett ist politisch!
Fast jede*r hat schon mal vor dem Spiegel gestanden und sich für zu "fett" befunden. Doch wie viel dieses ganz persönliche Unbehagen mit gesellschaftlichen Normierungen zu tun hat, konnte frau in dem Workshop "Voll Fett" mit der Aktivistin Magda Albrecht am 7. Juli in Potsdam erleben.
Die runde Soziologin und Feministin von der Mädchenmannschaft machte ihre ersten Diäterfahrungen schon vor ihrer Einschulung und zum Glück für viele andere erwuchs daraus die nötige Widerstandskraft für politisches Engagement. Denn anstatt sich den Normen anzupassen, schaute sie genauer hin und entdeckte wirtschaftliches und politisches Kalkül, dicke Menschen besonders zu diskriminieren.
1997 beschloss die WHO, dass ein Mensch mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 als übergewichtig und ab einem Wert von 30 als krankhaft übergewichtig gilt. Zur Erinnerung: der BMI errechnet sich aus dem Quotienten von Körpergewicht durch Körpergröße. Letztere wird vorher mit sich selbst multipliziert. Das Ganze wurde "erfunden", um der "Gesundheitsindustrie" stetig steigende Umsätze zu ermöglichen bzw. um die Schäden, die die "Lebensmittelindustrie" anrichtet, zu begrenzen.
Ich habe die 30 inzwischen erreicht und weiß jetzt, dass ich deswegen in Deutschland nicht verbeamtet werden kann! Damit, dass es für meine Figur kaum schicke Kleidung gibt, habe ich mich abgefunden. Doch dass mir wegen meines Gewichts auch direkte berufliche Diskriminierung droht, kann und will ich nicht hinnehmen!! Übrigens passiert das gleich im Zusammenhang mit Altersdiskriminierung, wenn man etwa die Fünfzig überschritten hat.
Aber zurück zum Workshop. Da saßen über dreißig jüngere und ältere Frauen aus Deutschland, Polen und Spanien zusammen, die auf mehr oder minder subtile Art Erfahrungen damit hatten, wegen ihres "Über-" oder "Unter"-Gewichts angegriffen zu werden. Einige berichteten davon, wie sie schon als Kinder gemaßregelt wurden und entweder Diät halten oder Sahne essen mussten. Bis zum Kotzen!
Eine wunderbar runde, attraktive und (eigentlich) in sich ruhende junge Frau erzählte sehr bewegt, dass ihr andere gesagt hätten, sie würden sich umbringen, wenn sie ihre Figur besäßen! Das ist kein Märchen und leider auch keine einmalige Erfahrung.
Magda Albrecht legte im Workshop ihr besonderes Augenmerk auf Empowerment. In Kleingruppen wurde "Eine Kaffeetasse voller Ideen" entwickelt, die bei der Bewältigung diskriminierender Situationen helfen können: Sich wehren und anderen helfen, gegen Diskriminierung aktiv einzuschreiten. Und nicht zuletzt ein paar fiktive Bilder: die eigenen Massen gegen Angreifer einsetzen, die Attackierenden einfach "auffressen". Und: Wir brauchen einfach mehr attraktive "dicke" Vorbilder.
Doch ganz oben steht die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins. Dazu gehört, zu sich und seinem wie auch immer proportionierten Körper zu stehen. Und ihn als nur einen (wichtigen) Teil der Persönlichkeit zu begreifen.
Denn frau ist außerdem noch: klug, kreativ, sensibel, eigenwillig, geduldig, liebevoll, ernst, mutig, gewissenhaft, zuverlässig, freundlich, aufmerksam, genussvoll, künstlerisch, chaotisch, kritikfähig, nachdenklich, sinnlich, neugierig, fair, offen, verspielt, fröhlich, launisch und und und.
Astrid Priebs-Tröger
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