Zerborstene Arche
Was für eine Wucht! Man fühlt sich unweigerlich klein, wenn man den (an sich) lichten Raum betritt. Im gläsernen Schaukasten des Potsdamer Kunstraums hat Chris Hinze eine Arche erbaut: haushoch, gewaltig und kraftvoll.
Mehrere Dutzend Eichenstämme ragen im Inneren des Schiffes in den Himmel – unverwüstlich und unbesiegbar. Scheinbar. Denn nur als/in der Gruppe wirken sie wie ein Monument. Und erinnern dabei an Hochhäuser oder an Menschen – beides fast im selben Moment. Einzeln betrachtet wirken sie seltsam verloren, beinahe zart.
Schon als Gruppe an sich wären diese Balken ein starkes Bild. Doch der Bootskörper drum herum potenziert diese Wirkung um ein Vielfaches. "Traumschiff" hat der Potsdamer Bildhauer seine Installation genannt … Vorher gab es schon ein viel kleineres Modell, das den Namen "Charons Boot" trug.
Der Bootsbau ist eines der ältesten menschlichen Handwerke überhaupt und geht bis in die Altsteinzeit zurück. Hinzes Boot ist gewaltig und zerbrechlich in einem. Denn der Bootsrumpf erscheint angesichts dieser (männlich) aufstrebenden Balken – nur wie eine fragile Haut.
Charons Boot fährt den Totenfluss, der einer des Leidens ist, entlang. Hinzes "Traumschiff" ist auf einen Hügel aus Sand gesetzt! Die Besucher vermeiden es, diesem zu nahe zu kommen. Jedenfalls sonntags gibt es nur wenige Fußspuren am Rand des Sandhaufens.
Ehrfurcht oder Blindheit? Denn so, wie dieses Menetekel da steht, müsste man sofort hingehen und eine Überbrückung bilden, die die beiden zerbrochenen Hälften, das ganze Boot zusammenhält. Und dafür bitten, dass die (geballte) Kraft reicht, sie wieder "zusammenwachsen" zu lassen. Oder sich andere "Zauberkräfte" wünschen.
Doch nichts dergleichen geschieht. Und so bleibt man mit bangem Herzen und einem Kloß im Hals zurück – fasziniert von so viel (menschlicher) Kraft und Ohnmacht zugleich.
Astrid Priebs-Tröger
Die Ausstellung im Kunstraum ist noch bis 17. Dezember geöffnet.