Wahn und Macht
Gerade ist im ZDF der Film "Die Wannseekonferenz" zu sehen und beim Ansehen dieses Werkes von Matti Geschonneck lief es mir nicht nur einmal eiskalt den Rücken hinunter. Zuerst einmal wegen des Themas – der sogenannten "Endlösung der Judenfrage", auf die dieser Bezug nimmt.
Diese hatte Hitler schon in "Mein Kampf" beschrieben und seit seiner Machtergreifung 1933 in Angriff genommen. Doch am 20. Januar 1942 fand eben besagte Konferenz am Wannsee statt – und im Angesicht des Scheiterns der Deutschen Wehrmacht vor Moskau – wurde im Sommer 1941 beschlossen, nicht nur Deutschland sondern ganz Europa "judenfrei" zu machen. Elf Millionen Menschen sollten diesem (Rassen-)Wahn zum Opfer fallen.
An den Wannsee hatte der Holocaust-Organisator Reinhard Heydrich Ministerialbeamte, Gauleiter und Wehrmachtsangehörige geladen, um im engen Zusammenspiel mit ihnen diesen unvorstellbaren Vernichtungsfeldzug generalstabsmäßig technisch, logistisch und finanziell zu planen.
Geschonnecks Film, der sich auf das überlieferte Original-Protokoll der Konferenz stützt, stellt diese (auch anhand von Briefen/ Tagebüchern) der fünfzehn Beteiligten nach und man wohnt einem grausamen und zugleich banalen technischen Prozedere bei.
Was zuvörderst auffällt, ist die Sprache, die diese zumeist gebildeten Herren allesamt benutzen. Nicht ein einziges Mal wird das Wort "Töten" in den Mund genommen. Die Rede ist von "Endlösung", von "weg arbeiten" oder "einwagonieren".
Alle Beteiligten sind von blindem Hass/Ideologie durchtränkt, die sich jedoch durch die betont technische bzw. sachliche Sprache vom eigenen Leib gehalten wird.
Manchmal scheint es so, als ob einer der Staats-Beamten sich gegen den Plan Heydrichs zur Wehr setzt und differenzierteres gesetzeskonformes Vorgehen anstrebt. Doch dies scheint nur so, denn es geht in dieser Männerrunde auch immer wieder darum, sich zu profilieren und die eigene Kompetenz herauszustreichen.
Neben der Verrohung der Gefühle, Gedanken und der Sprache zeichnet der Spielfilm, wie Hannah Ahrendt es beschreibt, auch die Banalität des Bösen eindrücklich nach. Und genau an diesem und an anderen Punkten schlug er schmerzhaft einen Bogen ins Heute.
Einmal mehr zeigt er das Innerste von Macht(-zirkeln) und wie sich diese besonders in Krisensituationen besonders zu entfesseln, zu verselbständigen drohen. Besonders deutlich in der Figur des Heydrich, der diese in der "Juden-Frage" an sich reißt und gleichzeitig die anderen zu gut geölten Rädchen in diesem, seinem "Spiel" macht.
Außerdem zeigt der Film, wie leicht es ist, Menschen gegeneinander auszuspielen, wenn man ihnen nur einen "Sündenbock" liefert und diesen immer wieder lautstark durchs Dorf treibt. Und besonders prekär im Angesicht der gegenwärtigen Krisen-Situation ist immer wieder das propagandistische Gerede von der deutschen "Volksgesundheit", die durch die jüdischen Deutschen dem Untergang geweiht sei.
Es ist klar, dass das Gestern und Heute nicht gleichzusetzen ist, schon gar nicht im Angesicht von sechs Millionen getöteten Menschen jüdischen Glaubens. ABER – im Angesicht dieses/unseres erdrückenden Erbes sollten Worte wie Volksgesundheit eigentlich nie wieder über die Lippen von Politikern kommen und Ausgrenzungen aller Art und schon gar staatlich verfügte endgültig der Vergangenheit angehören.
Astrid Priebs-Tröger
Weiterlesen zum Beispiel hier in der Berliner Zeitung