Keep smiling!
So locker wie am Anfang bleibt es nicht lange. Denn kaum haben die acht sehr unterschiedlichen Tänzer*innen ihre in Reih und Glied aufgestellten Schuhe angezogen, unterwerfen sie sich einem strengen Reglement.
Alle werden siebzig (!) Minuten lang springen, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken oder vor Erschöpfung aus der Reihe zu tanzen. "The dog days are over" heißt Jan Martens neue Produktion und der belgische Choreograf scheint schweißige Extremsituationen – "Sweat baby sweat" war 2014 in Potsdam zu sehen – zu lieben. Wie passend, dass seine Aufführung am ersten richtig heißen Tag dieses Jahres stattfand.
Wunderbar an "The dog days are over" ist, dass diese Gruppe, die (fast) nichts anderes tut, als springen, viel Raum für eigene Bilder und Fragen lässt. Warum turnen junge Menschen (freiwillig) in einer Gruppe? Sogar auf Kommando? Was lässt sie durchhalten? Warum verziehen sie keine Miene dabei? Obwohl sie schweißgebadet sind und auch der durchtrainierteste Körper irgendwann ermüden muss.
Parallelen zur modernen Arbeitswelt drängen sich auf, Assoziationen zu den Leistungs- und Lebensidealen der neoliberalen Keep-Smiling-Gesellschaft. Aber auch solche nach Körperbildern und Geschlechterverhältnissen: Augenscheinlich stecken die Frauen das pausenlose Springen besser weg. Warum kommen sie (auch hier) so selten an die Spitze?
Die oft militärisch wirkende Performance hat zum Glück ein kurzes Intermezzo. Irgendwann verlischt das helle Arbeitslicht im Saal. Dieser versinkt im Halbdunkel und Gitarrenklänge ziehen herein. Obwohl der Takt der Springenden der gleiche bleibt, werden ihre Bewegungen weicher und einen kurzen Moment entsteht so etwas wie Tanz und angenehmes Leben.
Astrid Priebs-Tröger