Spiel mit Erwartungen

Weiß, schwarz und rot sind die Far­ben von "For­got­ten instru­ments", Maren Stracks neu­es­ter Mate­ri­al- und Tanz-Per­for­mance. In der u. a. sie­ben schwar­ze Auto­schläu­che, sechs Orgel­pfei­fen, unzäh­li­ge Klett­ver­schlüs­se und zwei klap­pern­de Sche­ren als Mate­ri­al mitspielen.

Die Per­for­me­rin aus Bir­ken­wer­der kün­dig­te drei for­mal unter­schied­li­che Stü­cke an, die dann aber min­des­tens durch sie als Per­son und die akus­ti­sche und cho­reo­gra­fi­sche Erkun­dung von Mate­ri­al und Klang zusam­men­ge­hal­ten werden.

"For­got­ten instru­ments", Maren Strack, Foto: Promo

Zu Beginn war­tet man lan­ge hin­ter einem wei­ßen Laken als impro­vi­sier­tem Vor­hang – dahin­ter sind Motoren‑, Fiep- und Blas­ge­räu­sche zu ver­neh­men. Und als ers­tes nimmt man, als man end­lich hin­durch kann, ein Gewirr von schwar­zen Schläu­chen auf der Büh­ne wahr, in denen sich die Per­for­me­rin selbst schwarz behelmt ver­bor­gen hat. Zuerst pumpt sie aus Lei­bes­kräf­ten den auf ihrem Rücken befes­ti­gen rie­si­gen Schlauch auf, etwas spä­ter wird dies bei den sechs ande­ren maschi­nell erledigt.

Eine gigan­ti­sche Gum­mi-Plas­tik, die an eine rohe  Ver­si­on von Jeff Koons Schlauch­plas­ti­ken erin­nert, die öfter ihre Form wech­selt, ent­steht. Dazu ertö­nen mal ein­zeln, mal zusam­men die Orgel­pfei­fen, außer­dem reibt Gum­mi hör­bar auf­ein­an­der, Blas- und Fiep­ge­räu­sche sind vernehm‑, die schweiß­trei­ben­de Arbeit der Per­for­me­rin meis­tens sichtbar.

Auf dem Höhe­punkt der Erwar­tung, wie das wei­ter­geht, klet­tert Maren Strack schnau­fend aus dem fet­ten schwar­zen Gum­mi­berg, setzt ihren Helm ab und zieht auf den jetzt Luft ablas­sen­den Schläu­chen einen haut­engen zwei­tei­li­gen wei­ßen Anzug an, und lässt ihr lan­ges röt­li­ches Haar offen über den Rücken wallen.

Von der Arbei­te­rin zur Tän­ze­rin, so scheint die­se Meta­mor­pho­se zu lau­ten, doch Stracks Per­for­mance lebt vom Spiel mit und der Ent­täu­schung von Erwar­tun­gen. Aus dem kurz dar­auf avi­sier­ten Stepp­tanz wird bei ihr ein laut schmat­zen­der Klett­tanz, und ihre drit­te sur­rea­lis­tisch anmu­ten­de Ver­wand­lung steht an.

Die Per­for­me­rin ver­schwin­det hin­ter der auf einem fahr­ba­ren Gestell befes­tig­ten rie­si­gen ova­len roten Form und lässt ihre nack­ten Arme durch die wie Augen anmu­ten­den Öff­nun­gen bau­meln. Noch rät­sel­haf­ter wird das Gan­ze, als sie mit zwei Sche­ren einen metal­lisch kla­cken­den Rhyth­mus erzeugt und schließ­lich als Kol­le­gin der "Rei­ni­gungs­ab­tei­lung" – was in der mehr­fa­chen Wie­der­ho­lung wie "Rei­chen­ab­tei­lung" klingt- an Kas­se 3 geru­fen wird. Aber da hat die Ton­spur, wie frü­her die Schall­plat­ten, längst einen Sprung bezie­hungs­wei­se Hänger.

Gro­ße Spiel­lust und Expe­ri­men­tier­freu­de – manch­mal zulas­ten von inhalt­li­cher Aus­sa­ge – zeich­nen Stracks Arbei­ten aus, und mit den "ver­ges­se­nen Werk­zeu­gen" sind hier wohl vor allem Fan­ta­sie, Krea­ti­vi­tät und Offen­heit gemeint. Ver­bin­dend in "For­got­ten instru­ments" ist auch das Spiel mit Bildern/Projektionen von Weib­lich­keit, das Maren Strack meis­te­rin­nen­haft beherrscht.

Im Pots­da­mer Kunst­haus im Ula­nen­weg wur­de die­se Per­for­mance am Jah­res­en­de 2022 urauf­ge­führt und zum ers­ten Mal eine Zusam­men­ar­beit zwi­schen der fabrik Pots­dam und dem Kunst­haus aus­pro­biert. Der inti­me wei­ße Raum mit dem hohem Spitz­dach bot eine per­fek­te Kulis­se für Maren Strack und Johan Lor­beer, die "For­got­ten instru­ments" gemein­sam entwickelten.

Astrid Priebs-Trö­ger

Die Arbeit an die­sem Arti­kel wur­de "geför­dert durch die Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en im Pro­gramm NEUSTART KULTUR, Hilfs­pro­gramm DIS-TANZEN des Dach­ver­band Tanz Deutsch­land."

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01. Januar 2023 von Textur-Buero
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