JETZT!

Man kann nicht zwei­mal in den­sel­ben Fluss stei­gen – die­se Erkennt­nis des Hera­klit stell­te sich ganz unwill­kür­lich ein, wenn man bei Made in Pots­dam die Dop­pel­auf­füh­rung von "Rela­ti­ons­hifts" von Ceren Oran & Moving Bor­ders aus Mün­chen gese­hen hat.

Jin Lee und Jaros­lav Ondruš sind dar­in ein (Tanz-)Paar, das sich gera­de ken­nen­lernt. In Loop 1, der genau wie der der zwei­te eine Stun­de dau­ert, sitzt SIE zuerst in die­sem trans­pa­ren­ten 16 cbm gro­ßen Wür­fel und ER braucht eine Wei­le, bis er sich ihr annähert.

Ceren Oran & Moving Bor­ders. Rela­ti­ons­hifts Loop 1, Foto: © Ralf Dombrowski

Doch dann sit­zen sie sich vis-á-vis gegen­über, kom­men ins Lächeln und schließ­lich ins Reden. Eine Bezie­hung beginnt, die über sehr acht­sa­me Kon­takt­im­pro­vi­sa­tio­nen in einen gemein­sa­men ener­ge­ti­schen Fluss, und dar­über auch ins Lau­fen kommt.

Ver­traut­heit ent­steht, dar­aus wie­der Auto­no­mie, schließ­lich ein Kräf­te­mes­sen und auch Kampf. Ermat­tung folgt und ein Neu­be­ginn, der sehr intim und ver­traut wird und der zeigt, dass es mög­lich ist, gleich­zei­tig zu tra­gen und getra­gen zu wer­den. Das sind wun­der­bar berüh­ren­de Momen­te in die­sem ers­ten Annä­he­rungs- bezie­hungs­wei­se Beziehungsversuch.

Schließ­lich folgt nach der gro­ßen bei­der­sei­ti­gen Öff­nung zuerst bei ihr (und im zwei­ten Durch­lauf bei ihm) ein ein­sei­ti­ger Rück­zug und dar­auf­hin bei­der­sei­ti­ge Trau­rig­keit, Ent­täu­schung und Ent­frem­dung. SIE ver­lässt den gemein­sam kre­ierten Raum.

Ceren Oran & Moving Bor­ders. Rela­ti­ons­hifts Loop 1, Foto: © Ralf Dombrowski

Um nur ein paar Minu­ten spä­ter wie­der in den­sel­ben Fluss bezie­hungs­wei­se die glei­che Bezie­hung zu stei­gen. Was, man spürt es wahr­schein­lich mehr, wenn man bei­de Loops nach­ein­an­der ansieht, nicht oder nur teil­wei­se gelin­gen kann.

Auch hier wie­der ers­te Annä­he­rungs­ver­su­che, dies­mal von ihr, doch der anfäng­li­che Zau­ber, das tas­ten­de Geheim­nis ist dabei nicht nur für die  Zuschau­en­den verflogen.

Ihre Begeg­nun­gen haben in der Wie­der­ho­lung (unge­wollt) mehr Rou­ti­ne. Oder Schnel­lig­keit oder Ober­fläch­lich­keit. Tief­ver­wur­zel­te Mus­ter zei­gen sich. "Wir stei­gen in den­sel­ben Fluss und doch nicht in den­sel­ben, wir sind es und wir sind es nicht." Sagt Heraklit.

Ceren Oran & Moving Bor­ders. Rela­ti­ons­hifts Loop 1, Foto: © Ralf Dombrowski

Was folgt, ist nach Momen­ten groß­ar­ti­ger Tie­fe, wie­der eben­sol­che Ent­täu­schung. Weil jedeR immer wie­der ver­gleicht und nicht genü­gend prä­sent im JETZT ist. Denn nur dies lie­ße uns posi­tiv erfah­ren, dass alles sich ändert und dass dies gut/gewollt ist.

Und viel­leicht, so fragt auch "Rela­ti­ons­hifts" über­frach­ten wir heu­ti­ge roman­ti­sche Bezie­hun­gen mit viel zu gro­ßen Erwar­tun­gen an die ande­re Person/uns selbst. 

"Heu­te wen­den wir uns an eine Per­son, um das zu lie­fern, was ein gan­zes Dorf einst getan hat: ein Gefühl der Erdung, Bedeu­tung und Kon­ti­nui­tät. Gleich­zei­tig erwar­ten wir, dass unse­re enga­gier­ten Bezie­hun­gen sowohl roman­tisch als auch emo­tio­nal und sexu­ell erfül­lend sind. Ist es ein Wun­der, dass so vie­le Bezie­hun­gen unter dem Gewicht von allem zer­fal­len?" fragt die bel­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin Esther Perel.

Sie erforscht die Span­nung zwi­schen dem Bedürf­nis nach Sicher­heit und dem Bedürf­nis nach Frei­heit in mensch­li­chen Bezie­hun­gen, was in "Rela­ti­ons­hifts" (s)einen kon­ge­nia­len tän­ze­ri­schen und ener­ge­ti­schen Aus­druck findet.

Astrid Priebs-Trö­ger 

26. Januar 2025 von Textur-Buero
Kategorien: Performance, Tanz | Schlagwörter: , , , | Schreibe einen Kommentar

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