Disabled Theater
Es ist ein sehr schmaler Grat auf dem sich die elf Tänzer*innen des "Disabled Theaters" bewegen. Doch das gehört zum Konzept des französischen Choreografen Jérôme Bel, der grundsätzlich fragt, wo die Grenze – im Tanz wie im Leben – zwischen Normalität und Abweichung verläuft.
Die Schauspieler*innen des Züricher Hora- Theaters, das ausschließlich mit Protogonist* innen mit sogenannten geistigen Behinderungen arbeitet, waren beim 1. Potsdamer Kunstfestival für Menschen mit und ohne Behinderung zu erleben. In einer Inszenierung, die diejenigen, die sie gesehen haben, nicht kaltlassen kann.
Diese Inszenierung ist keine, bei der die Akteure in fremde Rollen schlüpfen. Sondern sie treten von Anfang an als sie selbst auf. Zuerst stumm, dann stellen sie sich nacheinander mit Namen, Alter und Profession vor. Um dann auch noch sehr kurz oder ausführlich ihre Handicaps zu erklären.
Bis zu diesem Moment kann man sich als Zuschauer wie ein Voyeur einer "Freakshow" fühlen. Doch diese Entscheidung trifft man selbst, indem man sich auf das, was Remo, Gianni, Damian oder Julia, Sara und Tiziana über sich mitteilen, einlässt oder eben nicht.
Doch erstes fällt leicht bei ihrer Direktheit und ihrem Humor. Sodass die Grenzen zwischen ihren Handicaps und unseren Unzulänglichkeiten immer mehr ins Fließen geraten. Als sie dann nacheinander ihre Tanz-Solos aufführen, kann jede*r spüren, dass sie ganz in der Musik und bei sich sind. Wer von uns kann das schon von sich in so einer Situation behaupten?
Disabled bedeutet im Englischen sowohl be- als auch verhindert. Jérôme Bel und seine wunderbaren Protagonist*innen zeigen, dass das eine mit dem anderen nichts aber auch gar nichts zu tun haben muss. Und dass es an der Zeit ist, die eigenen einengenden Ansichten darüber ein für alle Mal über Bord zu werfen.
Astrid Priebs-Tröger