Auch der Dschungel hat viele Sprachen

Das "Dschun­gel­buch", eines der welt­weit erfolg­reichs­ten Kin­der­bü­cher, haben die Elev:innen der Tanz­aka­de­mie Mari­ta Erx­le­ben als Vor­la­ge für ihre jetzt getanz­te Ver­si­on aus­ge­wählt und schon in deren Ein­gangs­mo­men­ten wird deut­lich, wie nah Tier- und Men­schen­welt bei­ein­an­der liegen.

"Ich bin das Auge des Dschun­gels, ich sehe die Ver­gan­gen­heit und die Zukunft", sagt Kaa, die gro­ße Schlan­ge, der HOT-Schau­spie­le­rin Kris­tin Muthwill ihre Stim­me leiht. Und sie sagt auch, "dass Cha­os und Dun­kel­heit über unser Land gekom­men ist"; es fühlt sich an wie ein Rau­nen in die Gegenwart.

Dschun­gel­buch, Foto: Ste­fan Gloede

Die Geset­ze des Dschun­gels sind streng hier­ar­chisch und als Einzelne:r ist kaum ein Über­le­ben mög­lich. Schon gar nicht für ein klei­nes Men­schen­kind, das der gro­ße Tiger Shir Khan (Char­lot­te Weber) beim Über­fall auf die Men­schen­sied­lung erbeutete.

Mog­li (Ric­co-Jar­ret Boat­eng) fin­det jedoch ein­fluss­rei­che Für­spre­cher – Pan­the­rin Bag­hi­ra und Bär Balu – und er wird in das Wolfs­ru­del ein­ge­glie­dert. Dort wächst er her­an und kommt in die Pubertät.

Dschun­gel­buch, Foto: Ste­fan Gloede

Hier setzt Mari­ta Erx­le­bens Cho­reo­gra­fie an, denn sie zeigt in 75 fan­ta­sie- und kraft­vol­len Minu­ten haupt­säch­lich die Los­lö­sung des Jun­gen von sei­nen tie­ri­schen Zieh­el­tern und die (Neu-) Ankunft in der mensch­li­chen Gesellschaft.

Balu (Johan­nes Hein­richs) und Bag­hi­ra (Lis­sy Jan­zen) sind rüh­ri­ge Ersatz­el­tern, doch dem etwas groß­mäu­li­gen Bären möch­te man als­bald "Los­las­sen, Papa!" zuru­fen, wäh­rend die Pan­ther-Mama Ver­trau­en in die Kräf­te und die Geschmei­dig­keit des Her­an­wach­sen­den hat und schließ­lich ein wun­der­ba­res Duett mit ihm tanzt.

Dschun­gel­buch, Foto: Ste­fan Gloede

Mog­lis indi­vi­du­el­les Erwa­chen beginnt nach der ers­ten Begeg­nung mit dem (Menschen-)Mädchen Shan­ti und gip­felt schließ­lich in der Iden­ti­täts­fra­ge – Wer bin ich?

Dazwi­schen gibt es vie­le wun­der­ba­re Begeg­nun­gen mit quir­li­gen Schlan­gen, Wöl­fen, Was­ser­li­li­en, der Gei­er-Crew, aller­lei bunt­schil­lern­den Fal­tern, Schild­krö­ten, Bie­nen, Pfau­en, klei­nen Wöl­fen, Fle­der­mäu­sen, Koli­bris und Lemu­ren … sie alle wer­den mit Witz und Hin­ga­be von einem hal­ben Dut­zend Beset­zun­gen von 6- bis 18-Jäh­ri­gen getanzt.

Wie immer far­ben­froh und viel­fäl­tig und mit diver­sen Kör­pern. Denn es geht um die gemein­sa­me Freu­de am Tanz, die die Insze­nie­run­gen von Mari­ta Erx­le­ben aus­zeich­net und die jedes Jahr zahl­rei­che Potsdamer:innen gene­ra­tio­nen­über­grei­fend ins Hans Otto Thea­ter – alle Vor­stel­lun­gen sind aus­ver­kauft – bringt.

Das alles fin­det statt zwi­schen tosen­dem Was­ser­fall, Fel­sen und Dschun­gel­ge­wäch­sen (Büh­ne: Micha­el Wawe­rek, Kos­tü­me: Camil­la Dae­men) und wird aus­ge­führt als Bal­lett, Street- und Jazz­dance, Akro­ba­tik und  Kampf­kunst und vor allem mit jeder Men­ge Ener­gie und Lebensfreude.

Wie in die­sem gibt es Hell und Dun­kel – und eine ziem­lich auf­müp­fi­ge Affen­ban­de mit Yoan Tcho­re­nev als Affen­kö­nig, der sich bren­nend für das Feu­er der Men­schen inter­es­siert. Denn letzt­end­lich unter­schei­det vor allem dies – näm­lich, Kul­tur – den Men­schen vom Tier.

Das Geheim­nis der roten Blu­me und der (ver­meint­li­che) Wider­spruch Natur ver­sus Kul­tur wer­den sehr kind­ge­recht dar­ge­stellt und auf­ge­löst. Denn Diver­si­tät gibt es hier wie da: Du und ich sind vom glei­chen Blut, vie­le Spra­chen hat nicht nur der Dschungel.

"Was wirst Du sagen, Men­schen­kind", fragt auch zum Schluss wie­der die wei­se Schlan­ge. Für wen wirst Du Dich ent­schei­den?" Im "Dschun­gel­buch" von Mari­ta Erx­le­ben meint das kein star­res Dafür oder Dage­gen, son­dern ein flie­ßen­des Sowohl als Auch.

Sowohl im Hin­blick auf die Zuge­hö­rig­keit von Mog­li, der, als er wie­der im Dorf ankommt oft auf allen Vie­ren läuft und wei­ter­hin im Baum schläft, als auch in Bezug auf den mensch­li­chen Umgang mit dem Dschun­gel. Der (noch) die Lebens­grund­la­ge für vie­le Tie­re und damit auch für uns Men­schen ist.

Astrid Priebs-Trö­ger

Die Arbeit an die­sem Arti­kel wur­de "geför­dert durch die Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en im Pro­gramm NEUSTART KULTUR, Hilfs­pro­gramm DIS-TANZEN des Dach­ver­band Tanz Deutsch­land."

15. Mai 2023 von Textur-Buero
Kategorien: Allgemein, Tanz | Schlagwörter: , , , | Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert