Die Macht der Geräusche

Moto­ren­ge­räu­sche, Gewehr­feu­er, Don­ner­grol­len – sol­che durch­drin­gen­den Ton­spu­ren spiel­ten eine her­aus­ra­gen­de Rol­le am drit­ten Unidram-Tag.

Jeden­falls in den Insze­nie­run­gen, die ich mir ange­se­hen habe: die visu­ell-akus­ti­sche Instal­la­ti­on "Twi­light", das Kör­per-Objekt­thea­ter "Invi­si­ble lands" und die Män­ner­per­for­mance "Hlu­bi­ni".  Alle drei Pro­duk­tio­nen, die aus der Schweiz, Finn­land und Tsche­chi­en stamm­ten, erzeug­ten mit ihren akus­ti­schen Signa­len ver­schie­den­ar­ti­ge Gemüts­be­we­gun­gen – in ganz unter­schied­li­cher Intensität.

Twi­light, Foto: Stu­dio CCRZ

Twi­light

In "Twi­light" geriet ich als Zuschauer*in gefühlt in eine Trans­port­si­tua­ti­on hin­ein. 27 Men­schen, die sich größ­ten­teils nicht ken­nen, wur­den dabei in einem schma­len Raum ver­sam­melt, der sich anhand (s)eines zumeist gleich­mä­ßi­gen Moto­ren­ge­räu­sches wie ein Bus anfühlte.

Vor­bei­fah­ren­de Fahr­zeu­ge, Tier­ge­räu­sche, Gewit­ter­stür­me und Stil­le in der Dun­kel­heit  ima­gi­nier­ten eine Vor­wärts­be­we­gung.  Auf­grund der Gleich­mä­ßig­keit des Motor­brum­mens und des wech­sel­haf­ten Zwie­lichts gelang­te ich dabei – unter­stützt durch zumeist dra­ma­ti­sie­ren­de Film­mu­sik­schnip­sel – in einen eige­nen, gefühlt traum­ar­ti­gen Asso­zia­ti­ons­raum. Alles in allem ein inten­si­ves akus­ti­sches und ener­ge­ti­sches Erleb­nis, das auch zeit­wei­se klaus­tro­pho­bi­sche Anklän­ge hatte.

Invi­si­ble Lands, Foto: Per­nil­la Lindgren

Invi­si­ble Lands

Der­ar­tig getrig­gert, reagier­te ich emp­find­sa­mer als gewöhn­lich auf die krie­ge­ri­sche Ton­spur, die gleich zu Beginn von "Invi­si­ble Lands"  den klei­nen Raum im Flu­xus-Muse­um aus­füll­te. Doch der israe­li­sche Pup­pen­spie­ler Ishma­el Fal­ke und die schwe­di­sche Tän­ze­rin Sand­ri­na Lind­gren saßen äußer­lich unge­rührt im Gewehr­feu­er auf einer Bank und rauchten.

Zu Tan­go­klän­gen zog sie ihm plötz­lich sein T‑Shirt über den Kopf und leg­te sei­nen nack­ten Ober­kör­per über ihre Bei­ne. Sie setz­te eine (rau­chen­de) Minia­tur­stadt und vie­le klei­ne Figu­ren, die davor ste­hen, dar­auf – und augen­blick­lich wur­de ich vom sich ent­wi­ckeln­den (Flucht-)Geschehen ergriffen.

Die über­aus bestechen­de Idee, die­se welt­weit anschwel­len­den, für uns "unsicht­ba­ren" Flücht­lings­strö­me auf einem mensch­li­chen Kör­per in Sze­ne zu set­zen, ermög­licht den Zuschau­en­den kein emo­tio­na­les Ent­kom­men (mehr). Jede*r spürt: das könn­te auch ich sein.

Eine durch­drin­gen­de Ton­spur aus Moto­ren- und Hub­schrau­ber­ge­räu­schen, Kin­der­wei­nen, Hil­fe­ru­fen und Don­ner­grol­len knüpf­te eben­falls an uni­ver­sa­le Mensch­heits­er­fah­run­gen an. Ganz außer­or­dent­lich, wie inten­siv Sand­ri­na Lind­gren und Ishma­el Fal­ke wäh­rend ihrer ein­dring­li­chen Per­for­mance ihre eige­nen Kör­per zur Ver­fü­gung stel­len, um viel­fach erleb­tes (frem­des) Leid sich/uns zu eigen zu machen.

Hlu­bi­ny, Foto: Voj­těch Brtnický

Hlu­bi­ni

Ohne  aus­rei­chen­de Mög­lich­keit, sich von die­ser star­ken emo­tio­na­len Erschüt­te­rung zu erho­len, begeg­ne­te ich unmit­tel­bar dar­auf den Män­nern aus "Hlu­bi­ni", was aus dem Tsche­chi­schen über­setzt, "Tie­fen" bedeutet.

Auch die­se Drei zogen mit Sack und Pack übers Land und anfangs glaub­te ich, dass sie eben­falls Geflüch­te­te sind. Doch die­se Annah­me ver­flüch­tig­te sich rasch. Statt­des­sen ver­such­te ich einen (ande­ren) "Sinn" in ihrer optisch effekt­vol­len, mate­ri­al­las­ti­gen Männ­lich­keits-Bewe­gungs-Musik­per­for­mance zu finden.

Dra­ma­tur­gisch nicht zwin­gend und spie­le­risch wenig fes­selnd wur­den in ihr heid­ni­sche Bräu­che, Opfer­ri­tua­le sowie Männ­li­ches, Volks­tüm­li­ches und Spi­ri­tu­el­les mit­ein­an­der ver­quirlt und aus­ge­stellt. Elek­tro­akus­tik­klän­ge und Don­ner­grol­len inklu­si­ve.  Die am Schluss von der Decke bau­meln­de impo­san­te Bir­ken­fi­gur mach­te das Gan­ze für mich lei­der auch nicht vielsagender.

Astrid Priebs-Trö­ger

01. November 2019 von Textur-Buero
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