Negative Räume mit rüchsichtslosen Schläfern

Es fiel kein ein­zi­ges Wort in der schwarz­hu­mo­ri­gen Slap­stick-Komö­die, mit der das 31. Uni­dram-Fes­ti­val im t‑Werk eröff­net wur­de. Und doch gaben die sechs Akteu­re der bel­gisch-bri­ti­schen "Reck­less Slee­pers" in "Nega­ti­ve Space" jede Men­ge Kom­men­ta­re zu moder­nen Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen ab.

"Nega­ti­ve Space" kam bereits 2014 zur Pre­mie­re und doch ent­wi­ckelt die bit­ter­bö­se Far­ce immer noch einen Sog. In den schmuck­lo­sen Wän­den eines (Wohn-)Zimmers ste­hen ein Holz­stuhl und eine metal­le­ne Steh­lei­ter. Ein Mann im grau­en Anzug klet­tert auf die Lei­ter und von dort aus auf den schma­len Rand der hohen Zim­mer­wand. Eine Frau im blau­en Kleid reicht ihm, als er oben sitzt, die Lei­ter und bei­de ver­schwin­den aus unse­rem Blickfeld.

Reck­less Sleepers_Negative Space © Pedro Sardinha

Die Frau steht jetzt allein mit erho­be­nen Armen im Zim­mer und man weiß nicht, was als nächs­tes pas­siert. Doch plötz­lich öff­net sich eine Boden­klap­pe und her­aus kommt ein ande­rer Mann, wäh­rend kurz danach die ein­sa­me Frau dar­in kopf­über ver­schwin­det. Schon da spürt man, dass hier kaum etwas nach den gän­gi­gen Kon­ven­tio­nen funktioniert.

Denn ein stän­di­ges Kom­men und Gehen über zwei wei­te­re Boden­klap­pen setzt ein und alle sechs Akteu­re in Abend­gar­de­ro­be – die Män­ner in grau­en Anzü­gen und die bei­den Frau­en in Klei­dern – ver­schwin­den immer wie­der kopf­über in der Versenkung.

Reck­less Sleepers_Negative Space © Pedro Sardinha

Es scheint nicht genug Platz für alle in dem engen Zim­mer, das wie eine Guck­kas­ten­büh­ne auf der t‑Werk-Büh­ne steht, zu geben. Und auch nicht genü­gend Aus- und Ein­gän­ge. Denn plötz­lich hat einer der Män­ner einen Zim­mer­manns­ham­mer in der Hand, mit dem er die ers­ten Löcher in die dün­nen Gips­kar­ton-Wän­de zu schla­gen beginnt. Zwei wei­te­re Män­ner benut­zen eine der Frau­en wie einen Ramm­bock und ren­nen mit ihr gegen eine Wand an. 

Die dabei bedroh­lich wackelt und in die im Ver­lauf der ein­stün­di­gen Vor­stel­lung meh­re­re gro­ße (Tür-)Öffnungen und vie­le vie­le Löcher geschla­gen wer­den. Das kracht und staubt gewal­tig und fühlt sich sehr gewalt­tä­tig an. Wobei in der meis­ten Zeit die rohe Gewalt von den Män­nern aus­geht, wäh­rend die Frau­en eher pas­siv sind oder als Mit­tel zum Zweck benutzt werden.

Reck­less Sleepers_Negative Space © Pedro Sardinha

Gegen Ende hin ändert sich auch dies und die bei­den Frau­en grei­fen öfter selbst zum Ham­mer, schla­gen die Umris­se von den davor ste­hen­den Män­nern in den Gips­kar­ton und drü­cken sie mit­tels die­ser Per­fo­rie­rung ein­fach aus dem (gemein­sa­men) Haus.

Doch neben den bei­den Häm­mern kom­men bald auch ein Dut­zend rote Rosen ins Spiel. Aber die­se Sym­bo­le der Lie­be stif­ten kei­ne sol­che, son­dern nur noch mehr "Ver­wir­rung" – beson­ders,  wenn sie von Mann zu Mann wei­ter­ge­reicht werden.

Alles in allem erscheint es so, dass die­ses (gemein­sa­me) Haus, dass die­ser Raum viel zu eng und zu unfle­xi­bel für fried­li­che Koexis­tenz der  Geschlech­ter ist. Zumal ja seit 2014 auch eini­ge Zeit ins Land gegan­gen ist und sich die Geschlech­ter­dis­kur­se wei­ter auf­ge­fä­chert haben und die Geschlech­ter-Dua­li­tät längst infra­ge gestellt wird.

Man wünscht sich nach "Nega­ti­ve Space" einen orga­ni­sche­ren, natür­li­chen Raum in dem nicht rohe Gewalt, son­dern dyna­mi­sches Flie­ßen, ein ste­ter Wech­sel von Wer­den und Ver­ge­hen und vor allem mehr Freund­lich­keit herr­schen. Und nicht rück­sichts­lo­se, unbe­küm­mer­te und sorg­lo­se Schlä­fer das Sagen haben.

Astrid Priebs-Trö­ger

05. November 2025 von Textur-Buero
Kategorien: Allgemein, Performance, Theater | Schlagwörter: , , , , | Schreibe einen Kommentar

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