Zukunftsvisionen

Die hat­ten noch gefehlt bei Uni­dram: Zukunfts­vi­sio­nen für eine Welt, die schon lan­ge von Kri­se zu Kri­se tau­melt. "2062", die fas­zi­nie­ren­de Live-Cine­ma-Pro­duk­ti­on von Kar­la Kracht und Andrés Bela­diez ver­such­te genau dies am Abschlussabend.

Ihre nied­lich anzu­se­hen­de Toten­kopf­fi­gur schwebt an einem roten Luft­bal­lon fried­lich durch den Wel­ten­raum. Bis die­ser platzt und das klei­ne Kerl­chen mit den Rie­sen­au­gen unsanft (wie­der) auf der  Erde lan­det. Die, die gute Nach­richt vor­ab, eine Was­ser­rein­heit von 88 Pro­zent auf­weist und für das mensch­li­che Leben immer noch geeig­net scheint. So war es jeden­falls auf der rie­si­gen Pro­jek­ti­ons­flä­che im Wasch­haus zu lesen.

2062/Foto: Gerar­do Sanz

Am Boden davor hat­ten die deut­sche Video­künst­le­rin und Illus­tra­to­rin Kar­la Kracht und der spa­ni­sche Regis­seur und Licht­künst­ler Andrés Bela­diez unzäh­li­ge Mini­ob­jek­te auf­ge­baut, die sie mit Video­ka­me­ras in Echt­zeit an die Lein­wand pro­ji­zier­ten und mit Schat­ten- und Licht­spie­len, einer Unmen­ge von Zah­len und einer unheil­vol­len Ton­spur ange­rei­chert, als eine düs­te­re Visi­on in den Thea­ter­raum schickten.

Auf dieser Erde nicht mehr …

Das Bedrü­ckends­te dar­an? Die nicht nur gefühl­te Aus­sichts­lo­sig­keit, das (bald) ein Sys­tem­wech­sel auf die­sem Pla­ne­ten ein­tritt. Auf die­ser Erde nicht mehr, so ihre kla­re "Bot­schaft" und wer weiß, viel­leicht lan­det ja in einem hal­ben Jahr­hun­dert einer der jün­ge­ren Zuschau­er – wie in der Insze­nie­rung – als "Aben­teu­er­tou­rist" hier, um nach­zu­se­hen, ob sich dies "bewahr­hei­tet" hat.

"Haben Sie schon mal über ein Kind nach­ge­dacht?" wur­de hin­ge­gen in der sich anschlie­ßen­den mul­ti­me­dia­len Thea­ter­in­sze­nie­rung "als ES über uns kam" von Mein­hardt Krauss Feigl am Anfang und am Ende gefragt. Eine alles ent­schei­den­de Fra­ge, wenn es um die eige­ne und die kol­lek­ti­ve Zukunft geht.

als ES über uns kam/Foto: Micha­el Krauss

Doch bei die­sem Paar in den bes­ten Jah­ren, das sich gera­de gemein­sam (s)eine zukünf­ti­ge Woh­nung anschaut, ist jede*r viel zu sehr mit sich selbst beschäf­tigt und nicht in der Lage, die "ein­fa­chen" Din­ge ein­fach zu tun.

Und dann und wann ein Elefant …

Statt­des­sen wird in die­ser hoch­äs­the­ti­schen Per­si­fla­ge auf unse­re über­in­di­vi­dua­li­sier­te und durch­psy­cho­lo­gi­sier­te Gesell­schaft andau­ernd das Drei-Instan­zen-Modell Freuds ver­ba­li­siert und in schwarz-weiß Bil­dern visua­li­siert. Und Fisch­schwär­me, Feu­ers­brüns­te und Ele­fan­ten flim­mern immer wie­der durchs (kol­lek­ti­ve) Unter­be­wusst­sein. Kein Wun­der, dass die Woh­nung und die Bezie­hung lang­sam aber sicher  Ris­se kriegen …

Les-Ant­li­a­clas­tes/He­re-lies-Shake­speare/­Fo­to: JP Estournet

Zei­chen über Zei­chen – wie gewohnt – auch bei den fran­zö­si­schen Figu­ren­thea­ter­spie­lern von "Les Ant­li­a­clas­tes", die in meh­re­ren Rie­sen­lö­chern nach den sterb­li­chen Über­res­ten und Bewei­sen für die Exis­tenz von Shake­speare such­ten. Doch der uni­ver­sel­le  Dich­ter­gi­gant wuss­te anschei­nend genau, war­um er aus­ge­rech­net "Geprie­sen sei der Mann, der die­se Stei­ne schont, und ver­flucht sei der, der mei­ne Kno­chen bewegt" auf sein Grab schrei­ben ließ.

Zeichen über Zeichen

"Hier ruht Shake­speare" hieß ihr wun­der­bar gro­tes­kes Figu­ren­thea­ter­stück. Und das Ein­zi­ge, was danach wirk­lich klar war, ist, dass das 24., unge­mein magi­sche Uni­dram­fes­ti­val damit unwi­der­ruf­lich und mit einem neu­en Besu­cher­re­kord zu Ende ging.

Astrid Priebs-Trö­ger

05. November 2017 von admin
Kategorien: Allgemein, Alltagskultur, Theater | Schlagwörter: , , , | Schreibe einen Kommentar

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