Es lebe die Vielfalt!
Samstagabend: Effektvolles Finale bei UNIDRAM, das ich mit drei von den insgesamt acht Aufführungen, die parallel liefen, erlebte. (M)eine Mischung: Akhe mit "Diktatur", Simon Mayer mit "Oh Magic" und "La Pendue" mit "Tria Fata" zeigte deutlich, zwischen welchen Polen sich das überaus schillernde Jubiläumsfestival bewegte.
(Politische) Performance neben Mensch-Maschine-Musikzirkus und Figurentheater mit Livemusik. Und auch an diesem letzten Tag war das Publikum in seinen Reaktionen – wie so oft – gespalten. Jubel auf der einen, Verlassen der Vorstellung auf der anderen Seite.
Immer wieder: Gegensätzliche Publikums- reaktionen
Doch der Reihe nach. Akhe zeigte nach der Performance "Demokratie" – in der drei Männer in Ölfässer stiegen – jetzt deren vergeblichen Versuch, in ihrem unter Wasser stehenden Haus irgendwie trockenen Boden unter die Füße zu kriegen. Statt Brücken zu bauen, werden die Holzlatten gen Himmel gereckt, um dann schwarz bekleckert, paarweise zusammengebunden, und entsprechend gedehnt, stilisierte weibliche Geschlechtsteile () darzustellen.
In denen es sich die Herren "bequem" zu machen versuchen, bis das alles krachend auseinanderbricht bzw. von ihnen selbst wütend zu Kleinholz verarbeitet wird. Mutterseelenallein harren die drei, auf das, was kommen mag. Nicht ohne sich immer wieder selbst zu erhöhen oder als "Führerfigur" zu posieren. Ein flackerndes Feuer erleuchtet ihre chaotische "Höhle", in die jetzt zusätzlich Wasser und jede Menge Schaum eintritt, der bedrohlich höher und höher steigt.
Plakative Bilder
Das Publikum in der Waschhaus-Arena ist fasziniert von solchen plakativen Bildern. Letztlich wird das "Haus" von den Herren selbst und einer Schar losgelassener Jugendlicher eingerissen. Großer Jubel! Und jede Menge befreite Energie. Alle Grenzen sind weg. Doch was unter dem ganzen Schaum/Chaos hervorgeholt und triumphierend aufgerichtet wird, erstaunt dann doch: Ein riesiger fünfzackiger Stern – das Symbol der ehemaligen Sowjetmacht?!
Nicht weniger sensationell, aber leider wenig magisch, ist dann die Show von Simon Mayer in der fabrik. Hier sollte die Herkunft des Tanzes und des Theaters aus dem Ritual beschworen werden. Robotik, Tanz, Musik und Gesang und visuelle Kunst sollten in ein Gesamtkunstwerk voller tranceartiger Ekstase münden.
Was so vollmundig versprochen wurde, setzte sich für mich nicht um. Auch ein Dutzend Zuschauer verließ vorzeitig die gleißende Show. Zwar wurden viele (Kunst-)Register gezogen, doch als sich die Akteure die Kleider vom Leibe rissen und sich nackig die Seele aus dem Leib zu tanzen versuchten, sprang der Funke nicht wirklich über.
Das war in "Tria Fata", der letzten Vorstellung am Samstagabend, nach wenigen Sekunden der Fall. Der Multiinstrumentalist – Akkordeon, Klarinette, Saxophon, Percussion – Martin Kaspar Läuchli nahm mich genauso wie die großartige Puppenspielerin Estelle Charlier mit auf eine "Reise, bei der es um Leben und Tod ging".
Geschichten von Leben und Tod
Vielfältig in den Mitteln – von Puppen- über Schattentheater bis hin zu Projektionen – von herzberührender, handgemachter Musik und wunderbar lebensprallen und gleichzeitig poetischen Texten. Und der Witz und die Chuzpe dieser alten Frau, die dem vor der Tür stehenden Tod zuerst ihre beiden Beine opfert, um vor dem endgültigen Abgang noch ein letztes bzw. erstes Mal ihre Lebensgeschichte erzählt. Und dabei so lebendig wird – wie vielleicht niemals zuvor!
Was für eine Tiefe, Leichtigkeit und wunderbare (Theater-)Seele bei diesen beiden jungen Franzosen, die ich sicher nicht nur ich bei UNIDRAM unbedingt wiedersehen möchte! Au revoir, Madame et Monsieur la mort!! Danke UNIDRAM für das rauschende (Geburtstags-)Fest – und bis zum nächsten Jahr!!!
Astrid Priebs-Tröger