All inclusive

Bei den dies­jäh­ri­gen Tanz­ta­gen haben die Frau­en das Zep­ter fest in der Hand. Von den zwölf ein­ge­la­de­nen Insze­nie­run­gen stammt der Groß­teil von Cho­reo­gra­fin­nen, die The­men wie Geschlech­ter­ste­reo­ty­pe, Diver­si­tät oder Body­po­si­ti­vi­ty verhandelten. 

Die gera­de preis­ge­krön­te Unga­rin Adri­enn Hód zeig­te ihre inklu­si­ve Per­for­mance "Har­mo­nia". Gemein­sam mit der pro­fes­sio­nel­len mixed-abled Tanz­kom­pa­nie des Thea­ters Bre­men, die seit mehr als zehn Jah­ren dort exis­tiert, war sie am ach­ten Fes­ti­val­tag in der fabrik zu Gast.

Dort erwar­te­te die Besucher:innen eine Are­na mit Sport­hal­len­at­mo­sphä­re. Ein freund­li­cher jun­ger Mann beweg­te sich ste­hend sehr vor­sich­tig an einer nied­ri­gen Reck­stan­ge, wäh­rend auf dem klei­nen Lap­top hin­ter ihm Bal­lett­e­lev: innen probten. 

Harmonia_Theater_Bremen_©Joerg_Landsberg

Vier Paa­re in Sport­kla­mot­ten dehn­ten sich zumeist auf dem Boden lie­gend in engen Part­ner­übun­gen. Spä­ter mas­sie­ren sie ein­an­der oder lockern ihre Mus­keln, manch­mal laut klat­schend. Alles geschieht lang­sam und mit sehr gro­ßer Acht­sam­keit für­ein­an­der. Ein Roll­stuhl steht in einer Ecke.

Nach und nach ent­deckt man sicht­ba­re Behin­de­run­gen und Kör­per, die nicht in her­kömm­li­che Kör­per­nor­men pas­sen. Doch in deren andau­ern­dem Zusam­men­wir­ken spielt dies kei­ne Rol­le. Denn die­se Trai­nings­paa­re schei­nen sich sehr gut zu ken­nen und haben sowohl die eige­nen Gren­zen als auch die gemein­sa­men Mög­lich­kei­ten sehr genau erkun­det. Und was sie gemein­sam pro­bie­ren, ist sowohl kraft­voll als auch ästhetisch.

Harmonia_Theater_Bremen_©Joerg_Landsberg

Har­mo­nie bedeu­tet im Sprach­ge­brauch sowohl Über­ein­stim­mung als auch Eben­maß und Zusam­men­fü­gung. Im Stück der Bre­mer Tanz­kom­pa­nie gelangt dies über meh­re­re Etap­pen zur gran­dio­sen Umsetzung.

Im mitt­le­ren Teil der unge­mein vita­len Per­for­mance, als alle nur noch Unter­wä­sche anha­ben und nach den Paar­ak­tio­nen jetzt  ver­ein­zelt auf der Büh­ne sind, wird beim Zuschau­en bei­na­he schmerz­haft deut­lich, wie sehr alle zusam­men­hän­gen und ein­an­der brau­chen. Die Ver­ein­ze­lung tut nie­man­dem gut und die wun­der­ba­ren Syn­er­gien, die vor­her zu spü­ren waren, schei­nen verloren.

Harmonia_Theater_Bremen_©Joerg_Landsberg

Voll­ends lebens­prall und direkt ins Herz zie­lend wird "Har­mo­nia", als sich zu fet­zi­gen latein­ame­ri­ka­ni­schen Rhyth­men spon­tan neue Tanz­paa­re fin­den, die gera­de auf­grund ihrer Ver­schie­den­heit groß­ar­tig zusam­men­pas­sen,  wie der Ado­nis glei­che schwar­ze Tän­zer und die klein­wüch­si­ge hell­häu­ti­ge Frau.

Und wie sie immer wie­der zei­gen, wie wich­tig auch Fan­ta­sie und Vor­stel­lungs­kraft sind, um das schein­bar Unmög­li­che mög­lich zu machen. Sinn­lich­keit und Ero­tik ein­ge­schlos­sen. Was in soge­nann­ten inklu­si­ven Pro­jek­ten respek­ti­ve in der Gesell­schaft immer noch nicht selbst­ver­ständ­lich ist.

Hier war es zu erle­ben und das Pots­da­mer Publi­kum fei­er­te die inter­na­tio­na­len Bre­mer Tänzer:innen Aaron Samu­el Davis, Flo­rent Dev­les­aver, Gabrio Gabri­el­li, Pau­li­na Por­wol­lik, Lei­sa Prowd, Tama­ra Ret­ten­mund, Nora Ron­ge, Andor Rusu, Young-Won Song und Káro­ly Tóth mit Begeisterungsrufen.

Astrid Priebs-Trö­ger

Die Arbeit an die­sem Arti­kel wur­de "geför­dert durch die Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en im Pro­gramm NEUSTART KULTUR, Hilfs­pro­gramm DIS-TANZEN des Dach­ver­band Tanz Deutsch­land."

07. Juni 2023 von Textur-Buero
Kategorien: Alltagskultur, Tanz | Schlagwörter: , , , , | Schreibe einen Kommentar

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