Bach. Passion. Aleppo

Kar­frei­tag 2016 wer­de ich nicht so schnell ver­ges­sen. Schuld dar­an war eine Kon­zert­ein­la­dung: "Bach. Pas­si­on. Alep­po" nann­te sich die Musik-Bild-Tanz-Col­la­ge, die am 25. März in der Pots­da­mer Niko­lai­kir­che zu hören war.

Ich bin kei­ne Musik­kri­ti­ke­rin und beur­tei­le Musik vor allem danach, ob und wie sie mich berührt. Bei die­sem Kar­frei­tags­kon­zert war das in einem bis­her uner­hör­ten Maße der Fall. Deut­sche und syri­sche Musi­ker tra­ten hier gemein­sam auf und der syri­sche Coun­ter­te­nor Razek-Fran­çois Bit­ar zog mich mit ara­mäi­schen Gesän­gen sofort in sei­nen Bann.

Ara­mä­isch ist der Dia­lekt, den Jesus sprach. Nun bin ich zwar kein gläu­bi­ger, jedoch  ein zutiefst intui­ti­ver Mensch. Ich spü­re, wenn etwas von ganz tief innen kommt. Razek-Fran­çois Bit­ar war in die­sem denk­wür­di­gen Kon­zert bei­na­he so etwas wie ein Gefäß, aus dem die frü­hen Klän­ge der Mensch­heit strömten.

bach-passion-aleppo

Foto: Pro­mo/Ra­zek-Fran­cois Bitar

In einem wei­ßen, boden­lan­gen Gewand, unge­mein zen­triert und wun­der­bar in sich ruhend, stand der jun­ge Syrer unter der Kup­pel der Niko­lai­kir­che und ließ "die Stim­me Got­tes" aus/durch sich erklin­gen. Das mag sich kit­schig anhö­ren, doch ich habe kei­ne ande­ren Wor­te dafür. Und: eben­so wun­der­bar – die­se Stim­me war weib­lich und männ­lich, alt und jung, trau­rig und hei­ter zugleich!

Beglei­tet wur­den die­se fast über­ir­disch anmu­ten­den Töne von Oud‑, Harfen‑, Nay- und Kawa­la-Klän­gen. Auch die­se fern­öst­li­chen, alten Instru­men­te waren wun­der­bar klar – fremd und ver­traut zugleich. Mög­lich wur­de die­se bei­na­he atem­be­rau­ben­de Wir­kung durch den direk­ten Kon­trast von deut­scher und syri­scher Passionsmusik.

Bei der Bach­schen Pas­si­ons­mu­sik war viel (mehr) Erden­schwe­re und Trau­rig­keit zu spü­ren und sie mach­te unge­mein vie­le Wor­te. Ihr Gesang wirk­te auf mich im direk­ten Ver­gleich mit dem ara­mäi­schen zwar unge­mein kunst­voll, doch die "See­le" war bei den Syrern viel deut­li­cher zu spüren.

Groß­ar­tig, dass das inter­na­tio­na­le Musik­thea­ter­en­sem­ble "I Con­fi­den­ti" die­se Koope­ra­ti­on gera­de jetzt ein­ge­gan­gen ist. Beson­ders ein Bild stell­te einen schreck­lich-schö­nen Bezug zur Gegen­wart her: Razek-Fran­çois Bit­ar, der aus dem ver­wüs­te­ten Alep­po stammt, ist in einer Sze­ne ganz mit einem schwar­zen, durch­schei­nen­den Schal bedeckt – sel­ten war so viel Schmerz und Hoff­nung zugleich!

Astrid Priebs-Trö­ger

Inter­na­tio­na­les Musik­thea­ter­en­sem­ble "I Con­fi­den­ti"

26. März 2016 von Textur-Buero
Kategorien: Allgemein | Schlagwörter: | Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert