Frauen im Krieg
Überall Krieg. Und wer jetzt (endlich) Waffenstillstand, Diplomatie und Frieden herbei wünscht, wird als "gefallener Engel aus der Hölle" tituliert. Wen wundert es da, dass auch im kulturellen Bereich immer stärker ins militärische Horn geblasen wird.
Im dunklen Monat Dezember sah ich zwei Filme, die dieses ungute Gefühl unterschiedlich nachhaltig bestärkten: "Die Mittagsfrau" (nach dem Roman von Julia Franck) und die neue Schweizer Serie "Davos 1917", seit kurzem in der ARD-Mediathek abrufbar. Beide sind 2023 erschienen. Und in beiden stehen starke, sich emanzipierende Frauen im Mittelpunkt.
"Die Mittagsfrau" beginnt in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und zeigt bis in die 1950er Jahre die Familiengeschichte der deutschen Jüdin Helene, die den Krieg überlebt, weil ihr Nazi-Mann ihr eine "arische" Identität verschafft.
"Davos 1917" beginnt auf den grauenvollen Schlachtfeldern von Verdun und begleitet die hochschwangere Rotkreuzschwester Johanna nach Davos, wo ihre Familie ein defizitäres Lungensanatorium führt. Johanna soll dort reich heiraten und damit den Laden sanieren. Dafür hat die Familie beschlossen, ihr uneheliches Kind ohne ihr Wissen in eine Pflegefamilie zu geben.
Beide jungen Frauen kämpfen und unterliegen doch immer wieder den gesellschaftlichen Zwängen. Die außerordentlich begabte Helene will Medizin studieren und Ärztin werden. Sie schafft das Abitur in Berlin, aber ihre Träume kann sie aufgrund der Zeitläufe und weil sie eine Frau ist, erst nach dem 2. Weltkrieg verwirklichen.
Doch diese Träume kosten sie unheimlich viel. Ihr erster Geliebter wird von den Nazis ermordet, der zweite Mann vergewaltigt sie und versucht sie brutal an seinen Lebensentwurf anzupassen und als ihm das nicht gelingt, verlässt er sie trotz des gemeinsamen Kindes.
Bei Kriegsende hingegen verlässt Helene ihren Sohn und geht danach ihren Weg. Man sieht sie als scheinbar erfolgreiche, aber einsame Frau. Ähnlich bewegend ist das Schicksal von Johanna, die um ihr Kind kämpft und dabei im elterlichen Kurhaus in die Fänge einer deutschen Top-Spionin gerät.
Denn in "Davos 1917" geben sich im Lungensanatorium die Geheimdienste der Kriegsparteien die zahlreichen Klinken gegenseitig in die Hand und die erfolgreiche Spionin Johanna gerät der Liebe wegen immer wieder zwischen die Fronten.
In Folge 4 der 1. Staffel "Frauen des Krieges" erklärt ihr die Gräfin "Meine Welt ist der Krieg" und zeichnet ihren eigenen beeindruckenden Weg vom Dienstmädchen zur Top-Spionin und zitiert dabei den Cicero-Satz "Wenn Du Frieden willst, bereite den Krieg vor". Der im damaligen 1. Weltkriegsgemetzel genauso falsch ist wie heutzutage, wenn ihn unser Verteidigungsminister im Munde führt.
Aber er steht wie ein Monument im Raum. Und auch sonst wird Johanna, die Bertha von Suttners "Die Waffen nieder" liest, immer wieder ob ihrer Naivität brüskiert. Dabei hat sie (als Einzige) an der Front wirklich erlebt, was Krieg anrichtet und mit ihren eigenen Händen notdürftig Soldaten zusammengeflickt. Die dann, wie der deutsche Vater ihrer bis dahin ungeborenen Tochter, an der Front sinnlos im Stellungskrieg verheizt wurden.
Nicht nur diese Parallelen zur Gegenwart sind augenscheinlich, und sie zeigen einmal mehr, wie wenig naiv Johanna ist und wie brutal die jeweils Herrschenden ihre Macht missbrauch-(t)en. Ich frage mich, warum zeigt man gerade jetzt starke Frauen, die im Krieg wichtige Schritte ihrer Emanzipation gehen?
In der Schweizer Serie im Top-Agenten-Milieu ist das richtig spannend und sexy, vor allem bei der Gräfin. Viel wichtiger wäre es, zu zeigen, was Kriege uns allen nehmen und wie sie zu verhindern oder zu beenden wären. Mithilfe einer oder mehrerer Top-Diplomatinnen beispielsweise?
Oder mit der überaus berührenden Geschichte vom Weihnachtsfrieden 2014, als deutsche, französische und englische Soldaten auf dem Schlachtfeld an der Westfront gemeinsam Weihnachten feierten. Diesen Geist der Weihnacht gilt es mehr denn je wirklich zu erzählen und zu praktizieren.
Astrid Priebs-Tröger
Michael Jürgs: Der kleine Frieden im Großen Krieg. Westfront 1914: Als Deutsche, Franzosen und Briten gemeinsam Weihnachten feierten. Das Buch wurde erstmals 2003 publiziert, die Taschenbuchausgabe ist 2018 im Pantheon-Verlag erschienen. Sie hat 352 Seiten und kostet 13 Euro.