Gundermann

Am tiefs­ten berühr­ten mich die zärt­li­chen, melan­cho­li­schen und zor­ni­gen Lie­der von Gun­der­mann im gleich­na­mi­gen Film von Andre­as Dre­sen, der jetzt in den Kinos star­te­te. Und die klei­nen und gro­ßen zwi­schen­mensch­li­chen Ges­ten sowie die Lie­bes­ge­schich­te. Aber die Sta­si-Geschich­te, die den gan­zen Film wie ein roter Faden durch­zog, an dem das Leben des sin­gen­den Bag­ger­fah­rers qua­si auf­ge­fä­delt wur­de, ließ mich im Kino hin­ge­gen ziem­lich kalt.

Weil der Blick auf die­ses Kapi­tel DDR-Geschich­te auch nach fast 30 Jah­ren noch immer so kli­schee­haft und oft "künst­lich" erregt anmu­tet. Und auch immer der Blick der "Sie­ger der Geschich­te" die­ses Bild  – zumeist ein­sei­tig – färbt. Zum Glück ist Letz­te­res bei Dre­sen nicht so. Was ihm gelingt, ist ein sehr indi­vi­du­el­les Hin­se­hen und damit eine Ent­dä­mo­ni­sie­rung. Denn er zeigt mit Gun­der­mann bei­spiel­haft e i n e  grund­le­gen­de psy­chi­sche Kon­stel­la­ti­on, die wahr­schein­lich nicht nur den intel­lek­tu­el­len Bag­ger­fah­rer beim Spit­zeln mit­ma­chen ließ.

Indi­vi­du­el­les Hin­se­hen und Entdämonisierung

Sehn­sucht nach (väter­li­cher) Aner­ken­nung. Gun­der­manns eige­ne tra­gi­sche Vater­ge­schich­te wird mit weni­gen Stri­chen erzählt und zeigt holz­schnitt­ar­tig das bedrü­cken­de Bild einer gan­zen Gene­ra­ti­on. In Ost wie in West! Die ver­stumm­ten (Kriegs-)Väter, die nicht mal mit ihren Kin­dern reden kön­nen und als die­se das Schwei­gen bre­chen – hier durch den Fund einer Waf­fe – alles ver­lie­ren und den Kin­dern dann die Schuld dar­an geben.

Das gibt einen Knacks fürs Leben. Und macht anfäl­lig für (ande­re) Auto­ri­tä­ten, Ideo­lo­gien aller Cou­leur und z. B. Leis­tungs­stre­ben als "Lebens­sinn".  Gun­der­mann hat das alles er- und über­lebt, zum Glück hat­te er sei­ne Poe­sie. Sie war es, die das Bes­te in ihm her­vor­lock­te, mit ihr konn­te er sei­nen viel­fäl­ti­gen und oft brü­chi­gen Gefüh­len dif­fe­ren­ziert Aus­druck ver­lei­hen. Nur in Ver­bin­dung mit der Malo­che im Tage­bau, die ihm die Augen öff­ne­te und ihn erdete.

Ver­stumm­te Kriegs­vä­ter und Sehn­sucht nach Anerkennung

Damit ist er ein spä­tes Phä­no­men des soge­nann­ten "Bit­ter­fel­der Weges", der Kunst und Arbeit zwangs­wei­se stär­ker in Bezie­hung brin­gen woll­te. Gut gedacht aber schlecht gemacht – wür­de man heu­te dazu sagen. Gun­der­mann jeden­falls spricht die Spra­che der "klei­nen" Leu­te und trifft sie mit sei­nen authen­ti­schen Bal­la­den mit­ten ins Herz.

Er ist sich nicht zu scha­de zum Arbei­ten – sein Den­ken, Füh­len und Erle­ben sind nicht in getrennten/abgehobenen Sphä­ren zuhau­se. Und er hat sich nie ange­passt. Auch nicht an das neue, kapi­ta­lis­ti­sche Sys­tem. In dem es ja eben­falls dar­um geht, sich anzu­stren­gen, zu funk­tio­nie­ren und nicht anzu­ecken. In dem eben­falls das alte Wort des "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" (s)eine über­aus dis­zi­pli­nie­ren­de Wir­kung entfaltet.

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?

Vor kur­zem sah ich auf arte den Film "Wes­ten" von Chris­ti­an Schwo­chow. Dort wird gezeigt, wie sehr sich Ost und West im Kal­ten Krieg  in Bezug auf den Umgang der Geheim­diens­te mit "Ver­däch­ti­gen" ähnel­ten. In Dre­sens Film "Gun­der­mann" ist die gan­ze Sta­si-Geschich­te für mich nur der Auf­hän­ger, dar­über nach­zu­den­ken, was wir eigent­lich zu tun bereit sind, um zu den "Gewin­nern" zu gehö­ren – und die­se The­ma­tik betrifft auch heut­zu­ta­ge wirk­lich Jeder­mann und –frau.

Und dass Men­schen nie schwarz oder weiß, gut oder böse, son­dern sehr viel viel­schich­ti­ger, brü­chi­ger, ver­rück­ter sind. Und unter den "schö­nen" glat­ten Ober­flä­chen auch heut­zu­ta­ge so man­cher "Dämon" wohnt – man muss nur genau hin­se­hen und die­se Wider­sprü­che auch aus­hal­ten wollen.

Astrid Priebs-Trö­ger

24. August 2018 von admin
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