Kämpfen und Tanzen

Was ent­steht, wenn ein Rin­ger, ein Boxer und ein Tän­zer zusam­men­ar­bei­ten, kann man in Yotam Peleds Per­for­mance "Whe­re the boys are", die jetzt im Rah­men von explo­re dance zur Pre­mie­re gelangt, erfahren.

Yotam Peled (*1989) ist ein jun­ger israe­li­scher Kampf­sport­ler, Artist, Tän­zer und Cho­reo­graf, der 2015 nach Deutsch­land kam, weil ihn die euro­päi­sche Artis­tik- und Tanz­sze­ne schon wäh­rend sei­nes Stu­di­ums von zeit­ge­nös­si­schem Tanz und Artis­tik in Isra­el fas­zi­nier­te und inspirierte.

"Whe­re the boys are", Foto: Johan­nes Malchow

Dabei fiel ihm auf, dass hier­zu­lan­de bei­de Berei­che noch viel zu sel­ten kol­la­bo­rie­ren und dass er vor allem Jobs im Bereich Tanz bekam. Nach einem Enga­ge­ment an der Staats­oper Han­no­ver grün­de­te er 2018 "Yotam Peled & the Free Radi­cals", einen losen Zusam­men­schluss von ver­schie­de­nen Freiberufler:innen aus dem Bereich Per­for­mance­kunst, mit denen er seit­dem pro­jekt­ba­siert zusammenarbeitet.

In "Whe­re the boys are" sind das der Deut­sche Nico­las Knip­ping (*1994), der u. a. Rin­ger ist und der gebür­ti­ge Litau­er Andri­us Nekra­so­vas (*1997), der in Vil­ni­us eine Akro­ba­tik­aus­bil­dung bekam und selbst boxt. Die­se drei haben sich zusam­men­ge­fun­den und ihre gemein­sa­men Spra­chen sind, wie Yotam Peled sagt, Kung Fu und Qi Gong.

"Whe­re the boys are", Foto: Johan­nes Malchow

"Whe­re the boys are" ist eine Pop up-Per­for­mance, die die drei jun­gen Män­ner für und mit Pots­da­mer Schu­len ent­wi­ckeln. Yotam Peled, der seit Län­ge­rem die Ver­bin­dung zwi­schen Artis­tik, Tanz und Kampf­kunst erforscht, will dar­über hin­aus auch Bil­dungs­ar­beit – wie er sie aus Isra­el unter sozia­lis­ti­schem Vor­zei­chen kennt – leisten.

Er, der sich selbst als que­er bezeich­net, hat wäh­rend sei­ner Schul- und Armee­zeit in Isra­el erfah­ren, dass er nicht in die gän­gi­ge binä­re Geschlech­ter­zu­ord­nung passt. Er hat sich, wie er im Inter­view sagt, men­tal "zu weich" gefühlt und bekam von ande­ren meis­tens das Feed­back, das er "här­ter sein soll."

"Whe­re the boys are", Foto: Johan­nes Malchow

Die­se Situa­ti­on des Nicht-Dazu­ge­hö­rens will er (mit) ande­ren Jugend­li­chen (mit)teilen, nicht aus einer auto­ri­tä­ren Leh­rer­po­si­ti­on her­aus son­dern auf Augen­hö­he, als eige­ne Erfah­rung. Die viel­leicht jeman­dem, der ähn­lich fühlt, Ori­en­tie­rung ermöglicht.

Seit Novem­ber 2022 arbei­ten die drei als Artists in Resi­dence in der Pots­da­mer fabrik und seit­dem fan­den meh­re­re Work­shops mit Schüler:innen aus der Vol­taire-Gesamt­schu­le statt. Die Jugend­li­chen tan­zen bzw. bewe­gen sich dabei am Ende nicht selbst auf der Büh­ne, son­dern gaben den drei Akteu­ren Feed­back zu dem, was sie gese­hen haben, sodass auch ihre Überlegungen/Aspekte ein­flie­ßen konnten.

"Whe­re the boys are", Foto: Johan­nes Malchow

Eine wich­ti­ge Fra­ge dabei lau­te­te: Wel­che Bezie­hun­gen kannst Du mit ande­ren Män­nern haben? Es geht in der Per­for­mance dabei sowohl um Aggres­si­on als auch um Medi­ta­ti­on, um Inti­mi­tät und Offen­heit, um Freund­schaft und vor allem um Unter­stüt­zung. Und immer wie­der um Berüh­rung, die die Jugend­li­chen auch in den Work­shops aus­pro­bie­ren und erfah­ren konnten.

Yotam Peled will dabei nicht wie in den gän­gi­gen Geschlech­ter­dis­kur­sen theo­re­ti­sie­ren, son­dern phy­si­sche und vor allem poe­ti­sche Bil­der kre­ieren, die offen sind für eige­ne Gefüh­le, Ener­gien und Per­spek­ti­ven. Die Haupt­kräf­te beim Kämp­fen, so Peled, sind immer Kol­li­si­on bzw. Tren­nung. Und in sei­nen Kämp­fen geht es nicht um Krieg, der immer ein Macht­ge­fäl­le dar­stellt, son­dern um (spie­le­ri­sches) Kräf­te­mes­sen und Expe­ri­men­tie­ren, bei dem alle Betei­lig­ten auf Augen­hö­he agieren. 

Astrid Priebs-Trö­ger

Die Arbeit an die­sem Arti­kel wur­de "geför­dert durch die Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Medi­en im Pro­gramm NEUSTART KULTUR, Hilfs­pro­gramm DIS-TANZEN des Dach­ver­band Tanz Deutsch­land."

09. März 2023 von Textur-Buero
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