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Ange­la Hop­kins trägt nicht erst seit "Coro­na" eine Mas­ke. Ihre rote Nase und eine leder­ne Renn­fah­rer­hau­be sind seit Jah­ren ihre Mar­ken­zei­chen – als Clow­nin. Zusam­men mit ihren strah­len­den Augen und den weit geöff­ne­ten Armen, mit denen sie mich auch in Pan­de­mie­zei­ten "sym­bo­lisch" umpfängt.

Auch sie hat der "Lock­down" kalt erwischt. Alle Auf­trä­ge, sämt­li­che Clow­ning-Work­shops, ob in Stutt­gart oder Eng­land, sind bis Ende die­ses Jah­res abge­sagt wor­den. Hop­kins hat die mög­li­chen staat­li­chen Hil­fen bean­tragt und auch bekom­men. Die nack­te Exis­tenz ist vor­erst gesi­chert. Doch wie geht es weiter?

Zumal sich Ange­la Hop­kins erst im Herbst 2018 ihren Her­zens­wunsch – eine eige­ne Werk­statt für Clowns­for­schung in Pots­dam zu eröff­nen – erfüllt hat. Über ein Jahr lang hat sie ihre gan­ze phy­si­sche und men­ta­le Kraft inves­tiert, in einer Remi­se in Pots­dam West die­sen künst­le­risch-krea­ti­ven Frei­raum zu schaffen.

Sie hat den umfas­sen­den Eigen­aus­bau als Solo­selbst­stän­di­ge gestemmt und es auch geschafft, dort regel­mä­ßi­ge Clowns-Work­shops mit inter­na­tio­na­len Gäs­ten ins Leben zu rufen. 2020 soll­te die künst­le­ri­sche und auch öko­no­mi­sche Ent­wick­lung der Pots­da­mer Clowns­re­mi­se wei­ter an Fahrt aufnehmen.

Die Kunst, sich das Unangenehme angenehm zu machen

Statt­des­sen ging ab Mit­te März nichts mehr – phy­si­sche Distanz und Mas­ken­tra­gen wur­den staat­lich ver­ord­net. Und Ange­la Hop­kins übte sich, wie schon so oft ihrem Leben, im Los­las­sen. Und in der, wie sie sagt "Kunst, sich das Unan­ge­neh­me ange­nehm zu machen."

Denn nach der kräf­te­zeh­ren­den, stres­si­gen Auf­bau­pha­se genoss die 49-Jäh­ri­ge jetzt end­lich den unge­wohn­ten Zeit­wohl­stand und  das Leben in ihrer kusche­li­gen Dach­ge­schoss­woh­nung. Die begeis­ter­te Köchin – das ist auch ein wei­te­res beruf­li­ches Stand­bein –  prak­ti­zier­te aus­gie­big "Cocoo­ning" und hat­te nun die Zeit dafür.

Auch genug, um end­lich ihre halb­jäh­ri­ge Fern­be­zie­hung zu inten­si­vie­ren. Vier Wochen am Stück zog Hop­kins nach Schles­wig-Hol­stein zu ihrem Mann. Um nicht wie sonst, zwi­schen zahl­rei­chen (Auslands-)Terminen ab und zu mal ein gemein­sa­mes Wochen­en­de freizuschaufeln.

Das, und die unzäh­li­gen Spa­zier­gän­ge in der früh­lings­haf­ten Natur, geben ihr die Kraft, auch jetzt vor allem posi­tiv in die Zukunft zu schau­en. Außer­dem hat Ange­la Hop­kins über die Sozia­len Medi­en regel­mä­ßig Kon­takt zu ihrem Publi­kum gehalten.

Seit Mit­te März pro­du­zier­te sie mehr als zwei Dut­zend clow­nes­ke Kurz­fil­me, ihre Coro­na-Edi­ti­on zur Kri­se, die Titel wie "alo­ne … tog­e­ther", "the mask" oder "dis­in­fec­tion" tra­gen. Und die Moment­auf­nah­men ihrer eige­nen inne­ren wie auch der all­ge­mei­nen Befind­lich­keit sind. Doch ins­ge­samt hat sie bewusst die Tie­fen des World Wide Web eher gemie­den, um sich nicht dar­in zu verlieren.

Denn Ange­la Hop­kins spürt – sowohl auf der Stra­ße als auch in ihren täg­li­chen Tele­fo­na­ten – dass vie­le Men­schen gera­de jetzt ein Bedürf­nis nach wirk­li­cher Begeg­nung und Berüh­rung spü­ren. Sie macht sich vie­le Gedan­ken, was ihr Bei­trag dazu sein kann.

Grundlegendes Bedürfnis nach Begegnung und Berührung

Mehr denn je fin­det es Hop­kins grund­le­gend, "Freund­lich­keit aus­zu­sen­den" und sie erzählt, wie gut es ihr selbst tut, wenn sie gera­de jetzt zuvor­kom­mend  – bei­spiels­wei­se beim Ein­kau­fen – behan­delt wird und wie sehr sie die Verkäufer*innen dafür bewun­dert, dies aus­dau­ernd tun zu können.

Die Mas­ken­pflicht indes erschwert die direk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Men­schen und Hop­kins, ganz pro­fes­sio­nel­le Clow­nin, hat sich für ihre Clowns­werk­statt schon früh­zei­tig Mas­ken für Taub­stum­me besorgt, bei denen der Mund für alle gut sicht­bar hin­ter trans­pa­ren­tem Plas­tik ver­bor­gen ist.

Mit denen geht sie inzwi­schen auch selbst auf die Stra­ße und ver­sucht, allen, denen sie begeg­net, ein Lächeln zu schen­ken. Außer­dem hat sie sich am Pfingst­mon­tag mit vier Bekann­ten zu ihrem ers­ten "Corona"-Workshop pri­vat getrof­fen, um gemein­sam aus­zu­pro­bie­ren, wie viel Nähe auch auf andert­halb Metern Distanz mög­lich ist. Und da geht spie­le­risch eini­ges, was Nähe schafft und das Herz erwärmt.

Jetzt, in den Zei­ten der (mög­li­cher­wei­se vor­über­ge­hen­den) Locke­run­gen sucht Ange­la Hop­kins nach Mög­lich­kei­ten, ihre Kos­ten zu mini­mie­ren. Sie denkt dar­über nach, ihren Kunst-Raum mit ande­ren zu tei­len, wahr­schein­lich mit einem Fel­den­krais-The­ra­peu­ten. Ihre für 2020 geplan­ten Work­shops will sie wie­der im kom­men­den Jahr anbie­ten. The­ma­tisch wird sie nichts ändern, aber fort­lau­fend  expe­ri­men­tie­ren, wie alles unter den Abstands­re­geln zu ermög­li­chen ist.

Fortlaufend Experimentieren und ins Helle sehen

Coro­na hat Ange­la Hop­kins (bis jetzt) nicht aus ihrer krea­ti­ven Bahn geris­sen. Sie will "ins Hel­le sehen" und wie sie sagt, "sich mit dem Unan­ge­neh­men befreun­den" (to beco­me com­for­ta­ble with the uncom­for­ta­ble). Am liebs­ten wür­de sie gera­de jetzt eine "Umar­mungs­sta­ti­on" ein­rich­ten, um wild­frem­de Men­schen lie­be­voll zu umarmen.

Ihr aller­größ­ter Wunsch ist es jedoch, ihre Werk­statt für Clowns­for­schung zu erhal­ten und aus­zu­bau­en, dafür bit­tet sie auch auf ihrer Web­sei­te um Spen­den. Außer­dem träumt sie davon, Men­schen zu fin­den, die sie dabei unter­stüt­zen, einen gemein­nüt­zi­gen Ver­ein für Clowns­for­schung zu grün­den. Denn Hop­kins sieht ihre Tätig­keit als durch­aus nütz­lich für die Gesell­schaft an und wür­de ihre krea­ti­ven Res­sour­cen ger­ne auch Men­schen zur Ver­fü­gung stel­len, die sich die Kurs­bei­trä­ge nicht leis­ten können.

Astrid Priebs-Trö­ger

Hier habe ich 2019 über Ange­la Hop­kins und ihre Werk­statt für Clowns­for­schung berichtet:
https://textur-buero.de/das-unerwartete-umarmen/

 

08. Juni 2020 von Textur-Buero
Kategorien: Allgemein, Kranz oder Krone? | Schlagwörter: , , , | Schreibe einen Kommentar

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