Ungeheuer intensiv
Vierhundert Meter Luftlinie vom ehemals besetzten Kulturzentrum entfernt, starteten die Potsdamer Tanztage am Mittwochabend in ihr 25. Jubiläumsjahr. Dazu hatten sich die Macher*innen um Festivalleiter Sven Till – jetzt im repräsentativsten Konzertsaal der Stadt – ein ganz besonderes Geschenk gemacht.
Sie haben die israelische Company L‑E-V von Sharon Eyal und Gai Behar mit gleich zwei Deutschlandpremieren eingeladen. Und das fühlte sich an wie schon so oft: das fabrik- Team brachte "die Welt" des Tanzes nach Potsdam und der Funke ist sofort übergesprungen!
Zwar hatte man im ersten Teil des Doppelabends nur ein paar Minuten Zeit, zu begreifen, was auf der Bühne passierte. Doch die fünf, in schwarze Latexanzüge gekleideten Tänzer hinterließen schon in "Sara" einen nachhaltigen Eindruck. In dem Halbdunkel, in dem sie sich schemenhaft und zugleich präsent bewegten, waren hauptsächlich ihre Gesichter und Hände zu sehen. Und diese loteten die (Un-)Tiefen der menschlichen Seele in ikonografischen Bildern – man glaubte Edvard Munchs "Schrei" zu spüren – aus.
In der Pause danach war das Publikum still von der Wirkung des Gesehenen. Wiederum aus nebligem Dunkel kamen drei Frauen und drei Männer in hautfarbigen Bodies und Unterhosen, die sich nun mit jeder Faser ihrer nackten muskulösen Körper der Technomusikkollage von Ori Lichtik überließen. Die intensive Verbindung, die diese Musik, die Lichteffekte und der Tanz in "Killer Pig" eingingen, ließ selbst jemanden, der Techno nicht mag oder kennt, unweigerlich in seinen Sog geraten.
Man schaute wie gebannt auf diese unter- schiedlichen und ungemein plastischen Körper, die von der Musik getrieben wurden. Und spürte, wie die Körper selbst in diese Klangwelten eingeschrieben waren, ja, sie erst ermöglicht hatten. Diese wechselseitige Beeinflussung ist neben der einprägsamen choreografischen Handschrift von Sharon Eyal und Gai Behar – sie mischen u. a. Elemente des klassischen Balletts mit Technobewegungen und auch Pina Bausch lässt grüßen – wohl das Geheimnis der kongenialen Zusammenarbeit der drei Ausnahmekünstler aus Tel Aviv.
Am Ende Standing Ovations des Publikums. Und Tänzer, die ebenfalls bewegt von der intensiven Begegnung mit diesem waren. Chefin Sharon Eyal lag ihren Protagonisten buchstäblich zu Füßen danach!
Astrid Priebs-Tröger