Unheimlich kühl
"Hertz – Die Welt ist Schwingung" ist der Titel von Laura Heineckes neuestem Stück, das in der fabrik im Rahmen des Tanzherbstes zur Uraufführung gelangte. Was so poetisch beschwingt klingt, erwies sich jedoch alsbald als dunkel beziehungsweise alptraumhaft.
Ganz am Anfang stehen die drei Performerinnen Aura Antikainen, Dagmar Ottmann und Sarantoula Sarantaki im Dreieck bewegungslos auf dem weißen Tanzboden. Das Publikum strömt lärmend an ihnen vorbei, doch sie gehen augenscheinlich nicht mit diesem in Resonanz.
Nachdem sich letzteres am Platz geordnet und beruhigt hat, beginnt die knapp einstündige Performance, die von der Minimal-Music-Tonspur, die Ralf Grüneberg komponiert hat, wesentlich beeinflusst und geprägt ist.
Auch sie beginnt mit mehreren Minuten Stille, in denen sich die drei Performerinnen kaum merklich in sich selbst und mit den anderen einschwingen und langsam wie an langen Fäden hängend sacht zu pendeln beginnen.
Nachdem erste Töne erklingen und genauso schnell wieder verschwinden und die Frauen sich immer noch am selben Fleck bewegen, bekommt die Musik nach kurzem hörbarem Wassertröpfeln eine dunkel-dräuende Atmosphäre und die Bewegungen der Tänzerinnen werden größer und dynamischer – und bei ihnen entwickelt sich fast so etwas wie "Widerstand" gegen diese zu hörenden, auch körperlich spürbaren Frequenzen.
Das verstärkt sich – auch in mir selbst – als im Mittelteil der in weiß, blau, lilafarbig beleuchteten Performance (Licht: Ralf Grüneberg) – das gleichmäßige harte Stampfen der nackten Füße der Frauen seinerseits auf die Minimalmusic überzugreifen scheint.
Diese bewegt sich jetzt in dumpf klopfenden Frequenzen von 120 Hertz – und ich selbst habe das Gefühl, dass dies meinen eigenen Herzschlag negativ beeinflusst und ich nur noch eines will, nämlich raus aus dieser bedrückenden (Herz-)Enge, die mir diese beklemmende Tonspur an dieser Stelle verursacht.
Laura Heinecke, die in "Hertz" zum ersten Mal selbst nicht mittanzt, sondern ausschließlich choreografierte, forschte im vergangenen Jahr mit einem Team aus Körperpraktiker:innen und Wissenschaftler:innen zum Thema Schwingungen.
Experimentiert wurde auf visueller, akustischer und somatischer Ebene mit Wellenlängen, Tonhöhen, Vibrationen und Rhythmus. Diese Forschung sei für sie noch lange nicht zu Ende, sagt Laura Heinecke im Gespräch.
Und wenn am Ende von "Hertz – Die Welt ist Schwingung" beinahe wieder der ruhige Ausgangszustand hergestellt scheint, fehlte in meiner Wahrnehmung das im Titel der Performance zumindest lautmalerisch vorkommende "Herz" beziehungsweise Freudiges oder Feuriges.
Denn auch die Farbgebung in Blau‑, Weiß- und Lilatönen war eher kühl als warm. In Lila ist Rot zwar enthalten, aber es entwickelt nicht dieselbe Energie wie im Urzustand. Und so wirkt "Hertz" beinahe wie der dramaturgische Auftakt einer mehrteiligen Reihe.
Versteht man die Performance jedoch (auch) als energetische Beschreibung der Gegenwart, dann erfassten die unheilvoll dräuenden Töne, und das, was sie in den Tänzerinnen und mir auslösten, mit seismografischer Genauigkeit die dystopische Zeitqualität, in der wir gerade leben. Aus der sich die Performerinnen herauskämpfen und letztendlich wieder neu formieren mussten.
Astrid Priebs-Tröger