Wonderful confusion
Quietschgelb und Knallrot. Schwarz und Weiß. Das waren die ersten und auch nachhaltigen Farbeindrücke, die die belgische Eröffnungsinszenierung des 26. Unidram-Festivals hinterließ.
Jens-Uwe Sprengel, der in seiner Eröffnungsrede das Festival an sich mit einer "Achterbahnfahrt" verglich, versprach eine solche auch für den diesjährigen Jahrgang.
Und man spürte sofort: Unidram, das seit einem Vierteljahrhundert überaus originelle Formen des visuellen (Objekt-)Theaters versammelt, gelingt es immer wieder, außergewöhnliche künstlerische Handschriften zu präsentieren. Jüngstes Beispiel: die belgische Performance "Don’ t we derserve grand human projects that give us meaning?" – Haben wir nicht großartige menschliche Projekte verdient, die uns Sinn geben?
Zwei Männer – einer in grellgelbem und der andere in signalrotem Anzug auf einer schneeweißen Bühne. Minutenlang halten sie sich bei den Händen und erkunden flachsig-tändelnd das unbekannte Terrain. Die viereckige Fläche, die mit einer teppichartigen Schicht bedeckt ist. Die Seiten neben der Bühne und den Raum über ihr. Der im gelben Anzug fängt auf (s)einer Seite sogar einen Fisch im akustisch imaginierten Wasser.
Dialog eines Bildenden und eines Digitalkünstlers
"The story of one man is the story of two men" ertönt es aus dem Off, doch da hat man schon begriffen, dass Robbert&Frank Frank&Robbert – so der Name des Duos aus Bildendem und digitalem Künstler – vor allem zusammen, quasi spiegelbildlich agieren.
Doch diese leere Bühne wird ihnen schnell zu eindimensional. Sie schleppen unterschiedlich große Türen-(Schrankkoffer) herbei, aus denen sie Pappfiguren ihrer selbst, von ausgestreckten Armen, von Hirnmasse oder Biergläsern ziehen. Und die Spielfläche füllt sich, wie bei einem ausufernden analogen Gesellschaftsspiel immer mehr mit diesen Figuren.
Räumlich braucht es bald eine weitere Dimension – hinter größeren Türen flimmern zwei Bildschirme und auf diesen jeweils eine sattgrüne Weidelandschaft mit Büffeln. Ein Rein und Raus sowohl der menschlichen Pappfiguren als auch der echten Akteure in die bewegten Bilder beginnt. Schier unmöglich, dies einigermaßen nachvollziehbar aufzufädeln und adäquat zu beschreiben, ganz zu schweigen von einer logischen Erzählung des Ganzen.
Fragmentierung, Überfrachtung, Sinnentleerung
Dieses Unvermögen spiegelt die bzw. korrespondiert wesensgleich mit der medialen Gegenwart – mit ihrer inhaltlichen Fragmentierung und sinnlichen Überfrachtung bei gleichzeitiger Sinnentleerung – und erzeugt z. B. durch den brennenden "echten" Bildschirmwald im letzten Teil der Performance – mit Rauchentwicklung bis in den Zuschauerraum im selben Augenblick kühle Distanz und erstickende Nähe.
Robbert&Frank Frank&Robbert entfesseln in ihrer originellen Show ein multidisziplinäres Theater der Dinge. Man folgt ihnen als Zuschauer bereitwillig in ihren skurrilen Bilderkosmos. Berückend ist außerdem ihr untertriebener, schräger Humor, der sich in ihrer Spielhaltung wie auch in Kleinigkeiten wie dem flennenden Emoticon mit Doppeltränen äußert.
Understatement und schräger Humor
Und: ihre erhabene Ausgangsfrage wird im Verlauf dieses überbordenden Bilderlabyrinths von ihnen selbst mit ironischem Understatement ad absurdum geführt. Ja, die diesjährige Achterbahnfahrt hat begonnen und man darf gespannt sein, was einen nach diesem ersten "verwirrenden" Looping noch erwartet.
Astrid Priebs-Tröger