Wonderful confusion

Quietsch­gelb und Knall­rot. Schwarz und Weiß. Das waren die ers­ten und auch nach­hal­ti­gen Farb­ein­drü­cke, die die bel­gi­sche Eröff­nungs­in­sze­nie­rung des 26. Uni­dram-Fes­ti­vals hinterließ.

Jens-Uwe Spren­gel, der in sei­ner Eröff­nungs­re­de das  Fes­ti­val an sich mit einer "Ach­ter­bahn­fahrt" ver­glich, ver­sprach eine sol­che auch für den dies­jäh­ri­gen Jahrgang.

Und man spür­te sofort: Uni­dram, das seit einem Vier­tel­jahr­hun­dert über­aus ori­gi­nel­le For­men des visu­el­len (Objekt-)Theaters ver­sam­melt, gelingt es immer wie­der, außer­ge­wöhn­li­che künst­le­ri­sche Hand­schrif­ten zu prä­sen­tie­ren. Jüngs­tes Bei­spiel: die bel­gi­sche Per­for­mance "Don’ t we der­ser­ve grand human pro­jects that give us mea­ning?" – Haben wir nicht groß­ar­ti­ge mensch­li­che Pro­jek­te ver­dient, die uns Sinn geben?

Foto: Tom Callemin

Zwei Män­ner – einer in grell­gel­bem und der ande­re in signal­ro­tem Anzug auf einer schnee­wei­ßen Büh­ne. Minu­ten­lang hal­ten sie sich bei den Hän­den und erkun­den flach­sig-tän­delnd das unbe­kann­te Ter­rain. Die vier­ecki­ge Flä­che, die mit einer tep­pich­ar­ti­gen Schicht bedeckt ist. Die Sei­ten neben der Büh­ne und den Raum über ihr. Der im gel­ben Anzug fängt auf (s)einer Sei­te sogar einen Fisch im akus­tisch ima­gi­nier­ten Wasser.

Dialog eines Bildenden und eines Digitalkünstlers

"The sto­ry of one man is the sto­ry of two men" ertönt es aus dem Off, doch da hat man schon begrif­fen, dass Robbert&Frank Frank&Robbert – so der Name des Duos aus Bil­den­dem und digi­ta­lem Künst­ler – vor allem zusam­men, qua­si spie­gel­bild­lich agieren.

Doch die­se lee­re Büh­ne wird ihnen schnell zu ein­di­men­sio­nal. Sie schlep­pen unter­schied­lich gro­ße Türen-(Schrankkoffer) her­bei, aus denen sie Papp­fi­gu­ren ihrer selbst, von aus­ge­streck­ten Armen, von Hirn­mas­se oder Bier­glä­sern zie­hen. Und die Spiel­flä­che füllt sich, wie bei einem aus­ufern­den ana­lo­gen Gesell­schafts­spiel immer mehr mit die­sen Figuren.

Räum­lich braucht es bald eine wei­te­re Dimen­si­on – hin­ter grö­ße­ren Türen flim­mern zwei Bild­schir­me und auf die­sen jeweils eine satt­grü­ne Wei­de­land­schaft mit Büf­feln. Ein Rein und Raus sowohl der mensch­li­chen Papp­fi­gu­ren als auch der ech­ten Akteu­re in die beweg­ten Bil­der beginnt. Schier unmög­lich, dies eini­ger­ma­ßen nach­voll­zieh­bar auf­zu­fä­deln und adäquat zu beschrei­ben, ganz zu schwei­gen von einer logi­schen Erzäh­lung des Ganzen.

Fragmentierung, Überfrachtung, Sinnentleerung

Die­ses Unver­mö­gen spie­gelt die bzw. kor­re­spon­diert wesens­gleich mit der media­len Gegen­wart –  mit ihrer inhalt­li­chen Frag­men­tie­rung und sinn­li­chen Über­frach­tung bei gleich­zei­ti­ger Sinn­ent­lee­rung – und erzeugt z. B. durch den bren­nen­den "ech­ten" Bild­schirm­wald im letz­ten Teil der Per­for­mance – mit Rauch­ent­wick­lung bis in den Zuschau­er­raum im sel­ben Augen­blick küh­le Distanz und ersti­cken­de Nähe.

Robbert&Frank Frank&Robbert ent­fes­seln in ihrer ori­gi­nel­len Show ein mul­ti­dis­zi­pli­nä­res Thea­ter der Din­ge. Man folgt ihnen als Zuschau­er bereit­wil­lig in ihren skur­ri­len Bil­der­kos­mos. Berü­ckend ist außer­dem ihr unter­trie­be­ner, schrä­ger Humor, der sich in ihrer Spiel­hal­tung wie auch in Klei­nig­kei­ten wie dem flen­nen­den Emo­ti­con mit Dop­pel­trä­nen äußert.

Understatement und schräger Humor

Und: ihre erha­be­ne Aus­gangs­fra­ge wird im Ver­lauf die­ses über­bor­den­den Bil­der­la­by­rinths von ihnen selbst mit iro­ni­schem Under­state­ment ad absur­dum geführt. Ja, die dies­jäh­ri­ge Ach­ter­bahn­fahrt hat begon­nen und man darf gespannt sein, was einen nach die­sem ers­ten "ver­wir­ren­den" Loo­ping noch erwartet.

Astrid Priebs-Trö­ger

30. Oktober 2019 von Textur-Buero
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