Zurück ins Leben
Momentan kommen einem die zurückliegenden 15 Monate im Angesicht der Sommersonne wie ein längst vergangener nächtlicher Albtraum vor. Mit einem solchen beginnt auch die Inszenierung "Der geheime Garten", die die Tanzakademie Marita Erxleben trotz Corona wie jedes Jahr zu Ferienbeginn auf die Bühne stellte.
"Es ist ein kleines Wunder", sagte Marita Erxleben, die die Tanzschule leitet und wie immer Choreografie und Inszenierung verantwortet, zu Beginn. "Wir sind noch da, wir lassen uns nicht unterkriegen." Und wer die zierliche energiegeladene Frau kennt, weiß, was und wen sie alles in Bewegung setzen kann.
So auch ihre über 750 Tanzschüler*innen im Alter von 4 bis 25, die in der Pandemie, wenn es möglich war, per Zoom unterrichtet wurden; einige der Größeren konnten auch zeitweise wieder vor Ort probieren. Und es hat sich gelohnt für ALLE.
Doch zurück zu dem anfänglichen Albtraum. Colin (Matthias Gärtner) träumt ihn und schnell wird klar, dass er nicht nur krank, sondern auch mutterseelenallein und schrecklich einsam ist. Genauso wie viele von uns, die während der Pandemie wochenlang nur zu Hause ausharrten.
Das ändert sich, als seine elternlose Cousine Mary (Alexandra Flügel) aus Indien in das Haus seines Vaters, ihres Onkels einzieht. Die beiden Kinder könnten unterschiedlicher nicht sein und gerade das ist Colins Rettung. Denn die quirlige Mary lässt nichts unversucht, um ihn aus seiner jahrelangen Isolation zu befreien und wieder zurück ins Leben zu bringen.
Mit viel Liebe zum Detail und einem wunderbar funktionalen Bühnenbild von Julia Schiller, das sowohl ein englisches Landhaus, als auch ein Bahnhof oder auch ein Abenteuerspielplatz sein kann, setzt Marita Erxleben mit ihren Tänzer*innen, die von Ballett über Artistik und Hip Hop alles beherrschen, die melancholisch getönte Geschichte in Szene.
Die viel von Einsamkeit erzählt aber auch von der Kraft der Natur und der guter Beziehungen, so wie der zwischen Mary und Dickon (Levin Kaufmann), die sich, obwohl ebenfalls sehr unterschiedlich aber offen für den jeweils anderen, vom ersten Augenblick an (tänzerisch) gut verstehen.
Schön ist auch, wie trotz Corona-Bestimmungen – auf der Bühne des Hans Otto Theaters waren nur ca. 30 Tanzschüler*innen zugelassen – trotzdem viele auch jüngere Tänzer*innen beteiligt wurden. Sie tanzten draußen im Park als Eichhörnchen, Spinnen, Katzen, Schneeglöckchen, Füchse, Rehe oder Mäuse und ihre Sequenzen wurden in den digitalen Stream, der jetzt auf der Webseite des HOT abgerufen werden kann, eingebettet.
Ich hatte die Möglichkeit, eine von vier Generalproben live zu erleben und natürlich geht nichts über dieses direkte Dabeisein. Das wunderbare filmische Endergebnis zeigt jedoch, dass hybride Formate durchaus auch künstlerisches Entwicklungspotenzial haben und auch zukünftig weiterverfolgt werden sollten.
Astrid Priebs-Tröger
Bis 27. Juni online: https://www.hansottotheater.de/spielplan/monatsplan/sommermaerchen-der-geheime-garten/1435/
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