Komödie geht immer
Es herrschte zu Beginn fast so etwas wie Volksfeststimmung. Und nicht nur dies erinnert daran, dass sich das "Neue Globe Theater" selbst in der Tradition der fahrenden Schauspieltruppen – wie zu Shakespeares oder Molières Zeiten – sieht.
Die agile Truppe um Andreas Erfurth und Kai Frederic Schrickel, kämpft als freie Theatergruppe indes mit fast den gleichen Problemen wie ihre berühmten Kollegen.
Seit Shakespeares Zeiten die gleichen Probleme
Sie braucht eigentlich kontinuierliche finanzielle Unterstützung, um ihre Produktionen vorzufinanzieren und sie muss als Theater ohne eigene Spielstätte eingeladen werden, um in anderen Häusern ihre Inszenierungen zu zeigen. Mit genau dieser Thematik beginnen auch "Die Streiche des Scapin", die das "Neue Globe" in einer Fassung von Peter Lotschak auf die Bühne bringt.
Molières berühmte Theatertruppe musste ihre alte Spielstätte verlassen und soll an anderem Ort für neues Publikum jetzt auch noch eine nagelneue Inszenierung aus dem Hut zaubern. Am selben Tag versteht sich! Doch das ist selbst den sturmerprobten Männern und Frauen um Molière zu viel – und sie meutern im "Vorspiel" auf offener Bühne. Kaum ein Klischee wird in den spritzigen Dialogen ausgelassen, das Schauspieler als arbeitsscheues und ziemlich eitles Gesindel diffamiert. Und auch die komplizierten Beziehungen zwischen ihnen subtil ins Lächerliche zieht.
Spielen – ohne Wenn und Aber!
Doch als selbst den Zuschauern klar ist, dass weder die Personage noch die Zeit dafür reichen, das neueste Stück des Prinzipals einzustudieren, beschließt Molière, der imposant von Saro Emirze verkörpert wird, auf "Die Streiche des Scapin" auszuweichen und diesen höchst selbst zu geben. Denn "Komödie geht immer" und es wird gespielt "Ohne Wenn und Aber" – so seine überlebenswichtige Devise.
Die Hauptrolle spielt der gerissene und intrigante Diener Scapin. Er steht auf der Seite der jungen Liebenden, die nicht zueinander kommen dürfen, weil die Eltern andere Heiratspläne mit ihren Kindern haben. Scapin, der eine blühende Fantasie und ein ebenso schnelles wie freches Mundwerk besitzt, spinnt ein Netz von (Lügen-)Geschichten um alle handelnden Personen. Gezeigt wird, dass der, der das meiste Theater macht, (immer) am besten durchs Leben kommt. Emirze bleibt auch in der Rolle des Dieners Scapin der absolute Chef auf dem Theater und lässt alle anderen beinahe wie Marionetten in seiner Hand erscheinen.
Amüsanter Running Gag
Die Frauenrollen hingegen gerinnen der Entstehungszeit gemäß zum Klischee und bieten genauso, wie die Rollen der jungen Liebhaber, nicht wirklich Raum für individuelles Spiel. Da Vater-Sohn-Konflikte oder Herr-Knecht-Verhältnisse auch noch heutzutage ihre zerstörende Dynamik entfalten, ist man wirklich dankbar, als Scapin dem gierigen Schwerenöter Géronte – Kai Frederic Schrickel – der auch Regie führte, gehörig das Fell versohlen darf. Und auch der feig-freche Diener Silvestre zeigt wie alle anderen überbordende Spiellust.
Besonders amüsant an der insgesamt kurzweiligen Inszenierung ist der Running Gag, der bereits im "Vorspiel" etabliert wurde. Aufgrund von Personalmangel, Zeit- und Geldnot entstehen in der laufenden Aufführung immer wieder Pannen. Wie die, dass die Souffleuse minutenlang ihren Einsatz verpasst oder nicht als Amme auftreten kann, weil sie parallel dazu soufflieren muss. Bleibt zu hoffen, dass das "Neue Globe Theater" niemals in solche prekären Situationen gerät und ihr "Scapin" genauso wie einst der des Molière zum Kassenschlager wird.
Astrid Priebs-Tröger
Dieser Artikel erschien zuerst in den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) vom 21.05.2018.